Justizministerin Alma Zadić kämpft für eine Bundesstaatsanwaltschaft

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An der Spitze des Justizministeriums gibt es nicht viel zu gewinnen: Das Ressort ist chronisch unterfinanziert, muss vor parteipolitischem Einfluss auf Ermittlungen beschützt werden und ist von durchaus meinungsstarken Charakteren durchdrungen. Das alles hat Alma Zadić mehrfach und deutlich am eigenen Leib erfahren, nachdem sie in der Höchstphase der Ibiza-Ermittlungen als Justizministerin angelobt worden war.

Sie hat ihr Ressort bislang einigermaßen unbeschadet durch viele Krisen manövriert. Dabei erinnert sie allerdings an den Actionfilm "Speed", in dem Sandra Bullock einen Bus ohne Bremsen steuern muss. Kein leichter Job, aber auch keine Lösung für die vielen Probleme.

Die soll nun in Form des Bundesstaatsanwalts kommen. Zadić ist wohl eine der ersten Ministerinnen, die sich selbst radikal entmachten will. Der Bundesstaatsanwalt soll künftig über fast alle Ermittlungen wachen und die sogenannte Weisungsspitze sein. Dabei steht viel auf dem Spiel. Ist das Modell ein falsches, könnten enorm wichtige Ermittlungen künftig manipuliert und gelähmt werden.

Viele Experten, viele Meinungen

Daher ist nachvollziehbar, dass Zadić ein breites Expertengremium einberufen hat, um ein Modell für den Bundesstaatsanwalt zu erarbeiten. Dort sitzen beispielsweise auch der Universitätsprofessor Peter Lewisch, den sein Rektor kritisiert hat, weil er das Logo der Uni Wien bei einem Privatgutachten für Sebastian Kurz verwendet hat. Innenressort und Kanzleramt schickten Vertreter. Auch Johann Fuchs, umstrittener Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, ist dabei.

27 Expertinnen und Experten sind es, ihre Vorstellungen variieren. Um sich Argumentationskraft für die eigenen Ideen zu holen, richtete Zadić dann noch einen Beirat ein, der aus Proponenten des Antikorruptionsvolksbegehrens besteht. Die Vorschläge, die einerseits der Beirat, andererseits die Arbeitsgruppe vorgelegt haben, gehen auseinander. Am Donnerstag versuchte Zadić anlässlich eines Arbeitsgruppen-Zwischenberichts deshalb, eine Art Machtwort zu sprechen: Sie will eine mehrköpfige Führungsspitze bei der Bundesstaatsanwaltschaft.

Nun ist aber Feuer am Dach: In der Arbeitsgruppe verstehen viele nicht ganz, warum sich Zadić so klar festlegt, bevor der Endbericht erarbeitet wurde – er ist für Sommer geplant. Im Beirat erfuhr man vom Zwischenbericht und Zadić’ Ansichten aus der Zeitung und ist dort ebenso pikiert. Kurzum: Für die Ministerin und das Projekt Bundesstaatsanwalt waren die vergangenen Tage ein Fiasko.

Mehr Härte ist nötig

Zadić hat zumindest einen deutlichen Fehler begangen: Sie hat versucht, sich festzulegen, das aber nicht eindeutig genug gemacht. Nun wirkt es so, als sollte die Arbeitsgruppe in eine bestimmte Richtung gedrängt werden und klar ein "Mehraugenprinzip" in der Bundesstaatsanwaltschaft forcieren. Dann könnte Zadić mit Verweis auf die Arbeitsgruppe, die sie in diese Richtung geschubst hat, gegenüber dem Koalitionspartner argumentieren. Dafür sind Juristen aber, bei allem Respekt, ein bisschen zu stur und selbstbewusst. Und wenn Zadic vermuten sollte, dass einzelne Arbeitsgruppen-Mitglieder das Projekt im Auftrag der ÖVP sabotieren sollen, war die Aktion erst recht ungeschickt.

Es braucht nun klare Leadership: Zadić muss Arbeitsgruppe und Beirat, aber auch der Öffentlichkeit klarmachen, dass sie entscheidet. Die Bundesstaatsanwaltschaft ist ein höchst politisches Projekt und sie hat als Ministerin die Verantwortung dafür. So ein umstrittenes Mammutprojekt umzusetzen, ohne gewichtige Teile des eigenen Hauses, aber auch des Koalitionspartners zu vergrämen, wird nicht gehen. Zadić ist gleich nach Bundespräsident Alexander Van der Bellen jene Politikerin, der die Wählerschaft laut Umfragen am meisten vertraut. Sie kann es sich leisten, anzuecken – wann, wenn nicht jetzt, beim wichtigsten Projekt ihrer Amtszeit? (Fabian Schmid, 4.6.2022)