Telegram scheint stärker mit Behörden zu kooperieren.

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"Wir haben Kontakt zur Konzernspitze von Telegram hergestellt": Mit dieser Aussage sorgte die deutsch Innenministerin Nancy Faeser Anfang des Jahres für Spekulationen, ob sich der umstrittene Messenger künftig strikter an lokale Gesetze halten und mit Behörden kooperieren könnte. Nun berichtet der "Spiegel", dass das Unternehmen bereits in mehreren Fällen des Verdachts auf Kindesmissbrauch und Terrorismus Nutzerdaten an das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) weitergegeben hat.

Zwar kann über einen Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme der deutschen Bundesregierung nur spekuliert werden. Dennoch handelt es sich um eine bemerkenswerte Entwicklung im Vorgehen des Unternehmens. Bisher beteuerte dieses stets, keine Daten an Behörden weiterzugeben. Verfahrensschreiben im Rahmen von Bußgeldverfahren wurden so lange ignoriert, bis das Justizministerium sie schlussendlich veröffentlichte.

Kooperation

Ein erstes Zeichen des Entgegenkommens zeigte sich im Februar dieses Jahres. Damals wurden mehrere Telegram-Kanäle des rechten Verschwörungserzählers Attila Hildmann gesperrt. Offizielle Begründung waren "Verstöße gegen lokale Gesetze", wie in einem Hinweis für Besucher zu lesen war. Kurz darauf wurde publik, dass die Sperren auf Druck des deutschen Innenministeriums und BKAs zurückzuführen waren.

Laut den Berichterstattern gibt es inzwischen sogar eine eigene E-Mail-Adresse, über die sich das Bundeskriminalamt mit Anliegen an Telegram wenden kann. Seither seien fast 100 gemeldete Kanäle und Gruppen gesperrt worden sein.

Nach Durchsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland ist mittlerweile auch der Kanal des Propagandasenders Russia Today nicht mehr aufrufbar. Die Sperre gilt nur innerhalb Europas, Usern wird beim Besuch – ähnlich zu Hildmann – angezeigt, dass der Kanal wegen Verstößen gegen lokale Gesetze nicht angezeigt werden könne.

Sprachrohr für Verschwörungsmythen

Seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie hat sich Telegram zum wahrscheinlich wichtigsten Kommunikationskanal von Coronaleugnern und Verschwörungserzählern entwickelt. Der STANDARD berichtete. Pläne für Demonstrationen werden dort in Kanälen mit teils hunderttausenden Mitgliedern beworben, während sich Anhänger der "Querdenker"-Bewegung in öffentlichen Gruppen über ihre Einstellungen und Ideen austauschen. Accountsperren oder die Löschung von Beiträgen gibt es selbst im Falle von Hasspostings nur im Ausnahmefall.

Ob der Messenger künftig systematischer mit Behörden kooperieren wird, lässt sich schwierig vorhersagen. Im Falle der meisten Straftaten sei es laut dem "Spiegel" noch immer sehr schwierig für Ermittlerinnen, Informationen über Tatverdächtige zu erlangen. Der politische Druck steigt allerdings konstant an. Erst kürzlich wurde auf EU-Ebene eine vorläufige Einigung für den Digital Services Act getroffen, mit dem Onlineplattformen stärker reguliert werden sollen, um illegalen Inhalten entgegenzuwirken. (red, 4.6.2022)