Großbritanniens Premierminister Boris Johnson muss sich möglicherweise bald behaupten.

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London – Großbritanniens Premierminister Boris Johnson könnte sich einem Zeitungsbericht zufolge bereits am Mittwoch einem Misstrauensvotum stellen müssen. Es hätten genügend Abgeordnete der Konservativen Partei Johnson das Vertrauen entzogen, um eine solche Abstimmung möglich zu machen, berichtete die "Sunday Times". Nach einer Phase der Beruhigung war der Unmut über Johnson wegen des Partygate-Skandals nach Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts wieder gestiegen.

Schwelle von 54 Briefen womöglich erreicht

Bisher haben 25 konservative Abgeordnete öffentlich erklärt, dass sie ein Votum über den Verbleib von Johnson an der Staatsspitze beantragt haben. Mindestens 54 Tories müssen das Votum bei dem mächtigen Parteikomitee 1922 schriftlich beantragen. Dessen Vorsitzender bestimmt dann das Datum für eine Abstimmung im Unterhaus. Die Anträge sind vertraulich, nur der Komitee-Vorsitzende weiß, wie viele derzeit vorliegen. Einige Abgeordnete aus Johnsons eigenen Reihen sowie aus der Opposition gingen davon aus, dass die Schwelle von 54 Briefen knapp erreicht sei, schrieb die Zeitung. Ein Parlamentarier sei der Ansicht, dass sie bereits überschritten sei.

Johnson hat sich bereits mehrfach für Verstöße gegen strikte Kontaktbeschränkungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie entschuldigt. Einen Rücktritt lehnt er jedoch ab. Die Regierung stünde vor zu vielen Herausforderungen und es sei unverantwortlich, davor wegzurennen.

Kein Politiker ständig "beliebt"

Der britische Verkehrsminister Grant Shapps verteidigte unterdessen Johnson gegen schlechte Umfragewerte und Buhrufe. "Politiker erwarten nicht, dass sie die ganze Zeit beliebt sind", sagte Shapps am Sonntag der BBC. "Wenn man ein Land regiert, ist das ein Job, in dem man oft schwierige Entscheidungen treffen muss."

Johnson war am Freitag lautstark ausgebuht worden, als er zur Dankesmesse für die 70-jährige Regentschaft von Queen Elizabeth in London kam. Eine Umfrage im Auftrag der "Sunday Times" sagt Johnsons Konservativer Partei zudem eine heftige Niederlage bei einer bevorstehenden Nachwahl für ein Parlamentsmandat voraus.

Misstrauensvotum und Nachwahlen

Der Premier steht seit der "Partygate"-Affäre um Lockdown-Feiern auch in den eigenen Reihen schwer unter Druck. Es gilt als möglich, dass sich bereits zu Wochenbeginn genügend Fraktionsmitglieder gegen Johnson aussprechen und es zu einem parteiinternen Misstrauensvotum kommt. Stimmen dann mindestens 180 der 359 Tory-Abgeordneten gegen den Premier, ist er seinen Job los.

Shapps sagte, er glaube nicht an eine Abstimmung. Falls es eine gebe, werde Johnson aber sicher gewinnen. Das Kabinettsmitglied forderte, die Partei dürfe sich nicht ablenken lassen vom Eigentlichen, nämlich das Land voranzubringen.

Am 23. Juni sind in zwei Wahlkreisen, die bisher von den Konservativen gehalten werden, Nachwahlen angesetzt. In beiden Fällen musste der Amtsinhaber wegen Skandalen zurücktreten. (APA, 5.6.2022)