Kostüme um 20 Euro gab es schon in anderen Spielen. Selten zuvor war allerdings ein Spiel so rund um diese Kaufoptionen herum designt.

Foto: Blizzard

Vor wenigen Tagen ist das neue Action-Rollenspiel "Diablo Immortal" für Android, iOS und PC erschienen und schon teilt es die Fan-Gemeinschaft in zwei Lager. Es mache doch Spaß, sagen die einen, während die anderen die Free-2-Play-Mechanik beziehungsweise das dadurch erforderliche "Pay to Progress"-System verurteilen. Eine gute Basis für eine konstruktive Diskussion? Mitnichten. Das Spiel ist der lebende Beweis für eine berechnend entwickelte Gelddruckmaschine, die nicht das Wohl des Spielers in den Mittepunkt stellt, sondern das Monetarisierungskonzept.

Bei der Stange halten

Der Free-2-Play-Markt habe viel in den letzten Jahren gelernt, ist im aktuellen "Gamestar"-Podcast in einer Diskussion rund um das neue "Diablo Immortal" zu hören. Leute bei der Stange halten zu wollen, würde nicht mehr automatisch bedeuten sie bei jeder Möglichkeit zu melken. Dem kann man tatsächlich zustimmen, wenn man ein paar Stunden mit dem neuen Action-Rollenspiel von Blizzard verbracht hat. Man läuft in gewohnter Weise durch diverse Landschaften, klopft auf Gegner ein und hofft auf bessere Ausrüstung. Die Missionen sind kurz gehalten, also optimal für ein Mobile Game. Die Belohnungen rieseln regelmäßig in die eigene Tasche und die verschiedenen Fähigkeiten, die man nach und nach lernt, laden zum Herumprobieren ein.

Natürlich macht das vielen Spielern Spaß – das Konzept hat ja auch schon bei älteren "Diablo"-Teilen gut funktioniert, die man sich noch zum Vollpreis besorgen musste. Man darf den Entwicklern auch nicht vorwerfen, das Spiel einfach hingerotzt zu haben. Angefangen bei der liebevollen Vertonung, über die funktionierenden Server bis hin zur gelungenen Steuerung und dem fehlerfreien Crossplay, das nahtlos den Spielfortschritt und das Miteinander-Spielen über alle Plattformen erlaubt. Auch wenn die Übersicht aufgrund des kleinen Bildausschnitts und der dunklen Farbgebung oftmals verloren geht und taktisches Vorgehen eigentlich nicht möglich ist, darf das Entwickler-Team an dieser Stelle durchaus gelobt werden.

Wäre da nicht das eben erwähnte "Pay to Progress"-System. Spieler auf höheren Stufen klagen über eine heftige Bezahlwand, um an besonders wertvolle Gegenstände oder fehlende Set-Gegenstände zu gelangen. Der Youtube-Kanal "Bellular News" bezeichnet diese gezielte Monetarisierung "widerlich" und rechnet vor, dass ein Fünf-Sterne-Set bis zu 110.000 Dollar kosten kann, wenn man es sich im Shop besorgt.

Wie das alles bunt glitzert, in diesem Shop.
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Auktionshaus, anyone?

Kann sich noch jemand an das Auktionshaus von "Diablo 3" erinnern? Mit diesem "Feature" führte Blizzard zum Release nicht nur die Möglichkeit ein, sich via Ingame-Goldreserven Gegenstände von anderen Spielern zu kaufen – nein, auch Echtgeldtransaktionen waren möglich, bei denen Blizzard einen Anteil für sich einbehielt. Damit wurde das Kernkonzept des Spiels, der Loot, völlig untergraben. Die Nachrichten häuften sich, Spieler hätten hunderttausende Dollar oder Euro ausgegeben, um sich möglichst schnell durch das Spiel kämpfen zu können. Zwei Jahre nach dem Erscheinen im Jahr 2012, wurde das Auktionshaus endgültig deaktiviert und das Loot-System des Spiels komplett überarbeitet.

Spätestens da hätte man merken sollen, dass es Blizzard bei der Weiterentwicklung der Franchise nicht mehr um den Spieler ging, sondern rein um die Art der Monetarisierung. So ist nun die Mobile-Variante das Kind dieser ungeschickten, ersten Gehversuche, der Kooperation mit dem chinesischen Game-Hersteller Netease und dem Know-How der Activision-Blizzard-Tochter King, die 2015 für knapp sechs Milliarden Dollar in das US-Unternehmen integriert wurde und davor finanzielle Blockbuster wie etwa "Candy Crush" auf die Menschheit losließ.

Genau diese "Candy Crush"-Methoden finden sich jetzt in "Diablo". Besonders spektakuläre Kostüme werden um 20 Euro angeboten und kaufbare Edelsteine locken zum Geldeinwurf, da sie für das Verbessern von Rüstungen gebraucht werden und einfach im Shop erhältlich sind. Dazu kommen klassische Glücksspiel-Tricks wie Loot-Boxen oder ein täglicher Login-Bonus – der übrigens in Spielen österreichischer Glücksspielkonzerne, etwa win2day, verboten ist.

Tägliche Belohnungen sind eine klassische Glücksspiel-Mechanik.
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Keine Rechtfertigung

Auf den diversen Social-Media-Plattformen wird die Verteufelung von "Diablo Immortal" von so manchen Menschen kritisiert. Das Spiel sei doch einfach ein klassisches Asia-Game mit Gacha-Mechaniken – vereinfacht gesagt sind das ins Spiel eingreifende Glücksspielmechaniken. Das würde vielleicht nicht den typischen "Diablo"-Fan ansprechen, aber "andere Zielgruppen". Diese Spiele würden "extrem viel" bieten und würden "leider oft falsch abgestempelt".

Dem wage ich zu widersprechen. Diese Spiele haben wenig zu bieten außer, dass sie die Nutzer daran gewöhnen wollen, sich regelmäßig einzuloggen, Geschenke zu erhalten, um dann nach vielen Stunden doch Geld einzuwerfen, weil man ja eh schon so viel Zeit damit verbracht hat. Nur weil dieses System erfolgreich ist und den Mobile Markt seit einem guten Jahrzehnt dominiert, müssen wir uns auf der PC- und Konsolen-Front nicht diesem Humbug ergeben. Wenn ein Spiel in mehreren europäischen Ländern, etwa Belgien und den Niederlanden, bereits verboten ist und die Lootbox-Mechanik seit Jahren in der Kritik steht, dann muss man diesem Treiben Einhalt gebieten.

Es macht "eh Spaß" reicht da als Argumentation nicht. Es geht hier um mehr – nämlich die Zukunft, wie Videospiele in den Folgejahren designt werden. Der Kampf scheint ohnehin schon ausweglos, sieht man sich die Umsatzzahlen im Mobile Bereich an, aber wie der Kampf gegen Diablo selbst, leben manche Auseinandersetzungen von der Schwere der Herausforderung. (Alexander Amon, 5.6.2022)