Der Grat zwischen guter Lebensmittelversorgung und dem Vermeiden von Verschwendung ist schmal. Oft sehen Obst und Gemüse im Laden noch gut aus, verderben aber rasch.
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Noch immer werden große Mengen an Essen weggeworfen – einiges davon, weil die Nahrungsmittel verderben, bevor sie bei Konsumentinnen und Konsumenten ankommen. Allein in Österreich landen Lebensmittel im Wert von 1,4 Milliarden Euro in Müllverbrennungsanlagen. Ein Schweizer Forschungsteam will dazu beitragen, die Versorgungsketten für Frischobst besser zu managen: Mit einer neuen Methode erforscht es die idealen Transportbedingungen für Zitrusfrüchte und erstellt dafür "digitale Zwillinge" des Obsts.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie im Fachmagazin "Nature Food" stellt die Gruppe um Thijs Defraeye von der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) mit Kollegen der südafrikanischen Universität Stellenbosch einen Weg vor, wie sich Nahrungsmittelverschwendung entlang der Produktions- und Lieferketten verringern ließe. Immerhin sind weggeworfene Lebensmittel für mindestens acht Prozent der weltweiten, menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich, für 20 Prozent des Süßwasserverbrauchs und für 30 Prozent der landwirtschaftlichen Bodennutzung.

Nur wenige Tage haltbar

Der digitale Zwilling der Zitrusfrüchte soll zeigen, wann, warum und in welchem Ausmaß die Qualität der Früchte leidet. Die "Avatare" wurden mit vorhandenen Daten von Temperatursensoren von 47 Frachtschiffen gespeist, um den Zustand der Früchte im Zeitverlauf zu ermitteln.

Das Ergebnis: Die Hälfte der Lieferungen lag außerhalb des idealen Kompromissbereichs zwischen Qualitätserhaltung, Abtötung von Fruchtfliegenlarven und Vermeidung von Kälteschäden. Am Ende der rund 30-tägigen Reise seien die verbliebenen Zitrusfrüchte im Haushalt teilweise nur noch wenige Tage haltbar gewesen, heißt es vonseiten der Empa.

Ungenutzte Messdaten

Um die Qualität von frischem Obst zu erhalten, ist es laut den Forschenden nötig, ein sehr enges Fenster an Temperaturbedingungen einzuhalten. So hoffen sie, dass Unternehmen die virtuellen Früchte einst in ihre Prozesse einbinden können. Zwar seien bis dahin noch weitere Entwicklungen nötig. Aber immerhin die Temperaturdaten wären bereits vorhanden: "Jeder Container auf der Welt ist mittlerweile mit einem oder mehreren Temperatursensoren ausgestattet", sagte Defraeye. Die Messwerte blieben bisher einfach ungenutzt, können aber einen wichtigen Beitrag liefern, damit möglichst wenige Früchte im Mist landen. (APA, red, 6.6.2022)