Die kasachische Bevölkerung hat am Sonntag für eine Verfassungsreform gestimmt.

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Nur-Sultan – In Kasachstan hat die Bevölkerung für eine Verfassungsreform gestimmt, die die politische Entscheidungsfindung dezentralisieren und den Einfluss des früheren Staatschefs Nursultan Nasarbajew weiter schwächen soll. 77,17 Prozent der Wahlberechtigten hätten am Sonntag für die von Präsident Kassym-Schomart Tokajew angestrebte Reform gestimmt, 18,66 Prozent dagegen, teilte die Zentrale Wahlkommission am Montag mit. Die Wahlbeteiligung lag offiziell bei 68,06 Prozent.

Das Parlament und das wiederinstallierte Verfassungsgericht sollen somit mehr Befugnisse erhalten, der Präsident behält aber die zentrale Machtstellung. Unter anderem verbietet die Verfassungsreform auch Verwandten des Präsidenten, hohe Regierungsämter in Kasachstan zu bekleiden. Die Regelung betrifft sowohl den amtierenden Präsidenten Tokajew als auch seinen Vorgänger Nasarbajew, dem weiters der Ehrentitel Elbassy – "Führer der Nation" – entzogen wird. Dieser Status gewährte ihm in der Vergangenheit auch nach seinem Rücktritt Einfluss auf die Politik.

Proteste mithilfe Putins niedergeschlagen

Tokajew hatte im März die Reformen als Basis für einen neuen Gesellschaftsvertrag in Aussicht gestellt und damit auf die Unruhen im Jänner reagiert. Die breite Zustimmung in der Volksabstimmung könnte auch die Chancen des 69-Jährigen für eine zweite Amtszeit als Präsident des ölreichen, mit Russland verbündeten Landes stärken.

Im Zuge der blutig niedergeschlagenen Proteste im Jänner war Nasarbajew bereits Macht entzogen worden. So musste er als Parteichef zurücktreten und das Amt als Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats abgeben. Auf beiden Posten folgte ihm Tokajew nach. Nasarbajew hatte das zentralasiatische Land fast drei Jahrzehnte mit harter Hand regiert und hielt zusammen mit seinem Clan auch nach seinem Rückzug als Präsident 2019 viele Fäden in der Hand.

Entzündet hatte sich der teils gewaltsame Protest gegen die Regierung an einer Preiserhöhung für Treibstoff. Angeprangert wurde aber auch die Korruption im Land. Nach der Eskalation hatte Tokajew das von Russland angeführte Militärbündnis OVKS (Organisation des Rats für kollektive Sicherheit) um Hilfe gebeten und den Soldaten für den Fall weiterer Unruhen einen Schießbefehl erteilt. Mehr als 230 Menschen kamen ums Leben.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, die Allianz OVKS werde auch in Zukunft nicht zulassen, dass es zu einer Revolution bei den Bündnismitgliedern komme. Zu der Allianz gehören neben Russland und Kasachstan auch Belarus, Armenien, Tadschikistan und Kirgistan. (APA, 6.6.2022)