Komponist Georg Friedrich Haas und Dirigentin Marin Alsop im Musikverein

Dieter Nagl

Wien – Im leider eher schütter besetzten Großen Saal des Musikvereins geht es am vorigen Donnerstag mit dem ORF-RSO Wien druckvoll zur Sache: John Adams’ "Lola Montez Does the Spider Dance" bildet den unbeschwerten Opener im bekömmlichen Stil. In seiner virtuosen Ausgelassenheit ist das Stück ein deutlicher Kontrast zum introvertierten Werk von Bernd Alois Zimmermann: Dessen "Stille und Umkehr" wirkt als jene ruhige Landschaft, in der sanfte, flächige Gesten mit winzigen instrumentalen Regungen verzahnt werden.

Es war eine klangsensible Einstimmung auf die Uraufführung von Georg Friedrich Haas. Dessen "ungefähr ganz genau", ein Auftragswerk der Gesellschaft der Musikfreunde, lässt das gelassen dahinschwebende Artifizielle auf den Orchesterklang des RSO-Wien treffen. Der Zustand angespannter Ruhe wird immer wieder (und bisweilen dynamisch) durchbrochen; es treten tonale Reminiszenzen auf, auch markante kollektive Glissandi.

Schwebendes Energiefeld

Das Werk ist vielschichtig im Ausdruck: Durch orchestrale Crescendi und Decrescendi entsteht punktuell der Eindruck von Annäherung und Entfernung, Verdichtung und Entspannung. Es ist ein farbenreich schwebendes Energiefeld entstanden, das Dirigentin Marin Alsop konzis betreut, um das Konzert (nach der Pause) schließlich mit John Adams’ "City Noir" wieder in Bereiche der tonalen Ausgelassenheit zu führen.

Das Orchesterwerk ist nicht nur vom Jazz inspiriert: So wie John Adams Swingendes mit klassischer Diktion zusammenführt, dringt er elegant in Bereiche des Third Stream vor. Eine Verharmlosung des jeweiligen Stils findet nicht statt. Mit dabei war natürlich auch jazzkundiges Virtuosentum – etwa Saxofonist Gerald Preinfalk. Der Applaus der Anwesenden erweckte übrigens durch seine Intensität jederzeit das schöne Gefühl eines vollen Saals. (Ljubisa Tosic, 6.6.2022)