Das Straflandesgericht Wien kennt Strache schon aus dem Sommer 2021

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Der Unternehmer Siegfried Stieglitz wollte "in möglichst viele Aufsichtsräte"

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Seit dem Erscheinen des Ibiza-Videos im Mai 2019 hat Heinz-Christian Strache ein eher unangenehmes Sommerprogramm: Im ersten Jahr stand eine Hausdurchsuchung am Programm, im Sommer 2020 dann der holprige und erfolglose Wien-Wahlkampf. Im Jahr darauf wurde "HC" nicht rechtskräftig zu 15 Monaten bedingt verurteilt – und auch die ersten sommerlichen Tage dieses Jahres wird Strache im Straflandesgericht Wien verbringen.

Am Dienstag startet der zweite Korruptionsprozess, der aus den Ibiza-Ermittlungen hervorging – und er weist erstaunliche Parallelen zum ersten Prozess gegen Strache auf. Da ging es um die Frage, ob der Privatklinik-Betreiber Walter Grubmüller den damaligen FPÖ-Chef durch eine Spende bestochen hat, um Vorteile zu lukrieren – in dem Fall war das ein Initiativantrag zum Thema Privatklinikfinanzierung, den die Freiheitlichen noch als Oppositionspartei eingebracht hatten. Thema war auch eine angebliche Reise mit Grubmüllers Privatjet, dafür gab es jedoch keine Verurteilung.

Der Wahlkampfbus

Auch dieses Mal geht es um Spenden, Reisen und einen FP-affinen Unternehmer, nämlich den Oberösterreicher Siegfried Stieglitz. Der machte mit Immobilien viel Geld, seinen Reichtum teilte er offenbar gern mit Freunden – und dazu gehörte auch Strache. Schon zur Fussballweltmeisterschaft in Brasilien im Jahr 2014 lud er den FPÖ-Chef ein, außerdem in sein Haus in Südfrankreich.

Im entscheidenden Wahljahr 2017, in dem das Ende der Großen Koalition und eine Regierungsbeteiligung der FPÖ am Horizont standen, wollte Stieglitz die FPÖ unbedingt unterstützen. Er lieh der Partei seinen Bus, der zum Wahlkampfmobil wurde. Doch es sollte keine Sachspende werden: Die FPÖ bezahlte brav die Miete für den Bus. Stieglitz plagte dann ein schlechtes Gewissen, weil er sich nicht an der FPÖ bereichern wollte, wie er in seiner Einvernahme sinngemäß angab. Deshalb entschloss er sich, der Partei zu spenden. Das erfolgte aber nicht offiziell, sondern über den parteinahen Verein "Austria in Motion": 10.000 Euro* flossen in Tranchen dorthin.

Das Vereinsnetz

Nachdem Strache im Ibiza-Video von Spenden an Vereine "am Rechnungshof vorbei" gesprochen hatte, wurde rasch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) aktiv. Der war in einem anderen Verfahren schon ein kurioser Verein namens "Wirtschaft für Österreich" aufgefallen. Dessen FPÖ-nahe Vorstandsmitglieder waren wiederum in anderen Vereinskonstruktionen tätig und so wurde Stück für Stück das blaue Vereinsnetz entdeckt – und Stieglitz’ Spende in mehrere Tranchen aufgestückelte Spende im Wert von 20.000 Euro an "Austria in Motion". Von diesem Verein habe ihm Strache im Sommer 2017 auf der Dachterrasse des Ritz-Carlton in Wien erzählt, hieß es in Stieglitz’ Einvernahme.

Dieser Geldfluss ist der eine Teil der angeklagten Korruption. Auf der anderen Seite steht Stieglitz’ Berufung in den Aufsichtsrat der staatlichen Asfinag. Der Geschäftsmann wollte "in möglichst viele Aufsichtsräte staatsnaher Unternehmen ernannt werden", erklärte er in seiner Einvernahme.

Die Einladung nach Dubai

Angeklagt wird auch eine Reiseeinladung: Im Sommer 2019 wollte Stieglitz seinen 50. Geburtstag standesgemäß in Dubai feiern, auch Strache wollte er dabeihaben. Der sagte nicht sofort ab, sondern verwies erst nach einigen Wochen auf "Compliance"-Probleme – auch das wird als versuchte Bestechung beurteilt.

Strache verteidigt sich damit, dass er erstens die Reise ohnehin abgesagt hatte und zweitens eben eine jahrzehntelange Freundschaft zwischen den beiden bestand samt mehrfacher gegenseitiger Einladungen. Bezüglich der Spende wird eine Verbindung zum Aufsichtsratsposten verneint. Tatsächlich gab es auch im Bereich der ÖVP einige Überschneidungen zwischen Großspenden und Personalentscheidungen in Aufsichtsräten. Hierzu hat die WKStA aber sämtliche Ermittlungen eingestellt.

Diese Woche sind drei Prozesstermine anberaumt, Der STANDARD wird live tickern: Am Dienstag wird die Verhandlung eröffnet, am Mittwoch stehen dann die Beschuldigtenvernehmungen von Strache und Stieglitz an. Freitags sollen erste Zeugen gehört werden, darunter Ex-FPÖ-Chef Norbert Hofer, gegen den anfangs selbst ermittelt worden war. Die nächsten Verhandlungstermine sollen dann im Hochsommer stattfinden. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, Renate Graber, 6.6.2022)


*Es geht um 10.000 Euro, nicht um 20.000 Euro, wie hier ursprünglich zu lesen war. Geändert am 7.6.2022 um 7.30 Uhr.