ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner will sehr genau zwischen ukrainischen Flüchtlingen und jenen aus Syrien und Afghanistan unterscheiden.

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Laura Sachslehner hat es geschafft, inmitten des langen Pfingstwochenendes einiges an Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: In einer Presseaussendung teilte die ÖVP-Generalsekretärin mit, dass Österreich unter der Zahl der Asylanträge leide. Die Ausdrucksweise, das Land leide, brachte Sachslehner auf Twitter, wo sie die Mitteilung ebenfalls verbreitete, den Vorwurf ein, rassistisch zu sein. Auch ihre Faktenangaben sorgten für Kritik.

Sachslehner schrieb: "Insgesamt wurden heuer bereits um die 16.000 Asylansuchen gestellt, und das nur im ersten Jahresdrittel. Die allermeisten Asylwerber stammen aus Afghanistan & Syrien. Damit leidet Österreich an der pro Kopf zweithöchsten Belastung durch Asylanträge in der gesamten EU." Die EU dürfe sich von der notwendigen Nachbarschaftshilfe für die Ukraine nicht blenden und dazu verleiten lassen, die Grenzen für alle Migranten zu öffnen.

Weiters teilte die ÖVP-Generalsekretärin mit: "Zwischen den Kriegsvertriebenen aus der Ukraine und allen anderen Migranten, die meist aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich wollen, muss unterschieden werden." Ukrainerinnen und Ukrainer sollten weiter uneingeschränkt Hilfe und Aufnahme in der EU erhalten, illegale Migration müsse aber "mit Nachdruck unterbunden werden".

Rassismus-Vorwurf von Grünen

Abgeordnete des grünen Koalitionspartners reagierten mit vehementer Kritik: Ewa Ernst-Dziedzic, Migrationssprecherin der Grünen im Parlament, warf der ÖVP-Politikerin via Twitter "offen rassistische Polemik" vor.

Lukas Hammer, ebenfalls grüner Nationalratsabgeordneter und Klimaschutzsprecher, twitterte: "Ich leide bei so viel Menschenverachtung in einem Tweet."

Daniel Landau, Inhaber des Cafés Tachles und Organisator des Solidaritäts-Lichtermeers für die Ukraine am Heldenplatz, kommentierte Sachslehners Tweets mit den Worten: "What? Österreich "leidet" also an Menschen?" Dass das jemandem in einer offiziellen Funktion "sagbar scheint, ist schon skandalös genug. Aber nein, so etwas meint die Frau GS (Generalsekretärin, Anm.) einer (ehemals?) christlichen Partei. Schon sehr heftig".

Kritik an Zahlenangaben

Sachslehners Angaben stießen auch sonst auf Kritik: Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination twitterte, Sachslehner reite "mit dem Märchen des "Wirtschaftsflüchtlings" ein totes Pferd. "Tatsächlich ist der Schutzbedarf der Antragsteller:innen sehr hoch" und er sei bei den Anträgen von Syrerinnen und Syrern sowie von Afghaninnen und Afghanen unbestritten, twitterte Gahleitner-Gertz. Außerdem würden pro Verfahren mehrere Entscheidungen gefällt, daher müsse man hier aufpassen, dass man nicht Entscheidungen mit der Zahl der Personen gleichsetze.

Große Steigerung bei Asylanträgen

Am Sonntag wurde bekanntgegeben, dass die Zahl der Asylanträge mit rund 16.000 Ansuchen im ersten Jahresdrittel 2022 in Österreich sehr stark gestiegen ist und damit höher ist als übers ganze Jahr gerechnet jeweils in den vergangenen Jahren.

Gahleitner-Gertz sagt dazu im STANDARD-Gespräch, dass die Antragszahlen in der Tat auf einem sehr hohen Level seien – allerdings im Vergleich mit Jahren, die auf einem – zum Beispiel Corona-bedingt – extrem niedrigen Level gewesen seien. Gahleitner weist auch darauf hin, dass im ersten Quartal dieses Jahres rund ein Viertel der Verfahren eingestellt worden sei, weil die Personen nicht mehr im Land seien. Dieser Anteil belaste weder die Behörden (nur ein geringer Bruchteil komme zurück, obwohl Dublin-Regel es für alle vorschriebe), noch beziehe er weiter Grundversorgung. (spri, 6.6.2022)