Das Büro des Vorarlberger Wirtschaftsbund zierte der Titel des Mitgliedermagazins: Vorarlberger Wirtschaft.

Foto: APA/Stiplovsek

Der Titel könnte von einem Artikel über die Causa Wirtschaftsbund aus dem Jahr 2022 stammen: "Vorarlberg ein Selbstbedienungsland?!" Tatsächlich handelt es sich aber um die Überschrift einer anonymen Information, die 13 Jahre früher an das Finanzamt Feldkirch erging und die dem STANDARD vorliegt. Auf vier Seiten beschreibt ein Hinweisgeber Zustände, die im Ländle teilweise auch im Herbst 2021 noch vorherrschten und über die zunächst Ö1 und DER STANDARD damals ausführlich berichteten, was eine Betriebsprüfung beim Wirtschaftsbund und daraus resultierende Weichenstellungen und politische Erdbeben in Vorarlberg zur Folge hatte.

Zurück in die Zukunft

Was steht also in dem Dokument aus dem Jahr 2009? Etwa dass Druck auf Innungen ausgeübt werde, um im Wirtschaftsbund-Magazin zu inserieren, wie es im Frühjahr dieses Jahres der Tischler Michael Stadler öffentlich gemacht hat. Dass die Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin teils zu 50 Prozent aus Landesgesellschaften stammen würden – ein Anteil, der sich in den Jahren darauf verringerte, bis zum Schluss blieb es aber bei Inseraten, die mit öffentlichem Geld bezahlt wurden. Die Hypo ist beispielsweise über die letzten Jahre der Top-Inserent des Magazins mit einer Auflage von nur 20.000 Stück. Eine Praxis, die die Vorarlberger Landesregierung nun abgestellt hat.

Und es ist auch zu lesen, dass der Wirtschaftsbund-Direktor – damals Walter Natter – auch an einer Firma beteiligt sei, die das gesamte Inseratengeschäft für zahlreiche öffentliche Einrichtungen, etwa für Magazine der Wirtschaftskammer, erledige. In dem Dokument wird dabei die Frage nach Unvereinbarkeiten aufgeworfen. Denn Natter würde sich hohe Provisionen auszahlen, seine Firma – Media Team – habe die Aufträge teils ohne Ausschreibung bekommen.

Eine Doppelrolle mit Tradition

Die Doppelrolle Wirtschaftsbund-Chef und Media-Team-Inhaber übernahm Natters Nachfolger, Jürgen Kessler, von ihm. Anfang dieses Jahres gab er zunächst seine Firmenanteile ab und musste wenige Wochen später dann auch den Direktorensessel beim Wirtschaftsbund räumen. Allerdings war zwischenzeitlich, nämlich 2013, noch Russmedia in die Firma eingestiegen. Auf das Warum erhält man bei dem Medienkonzern die Antwort, dass es "zu strategischen Überlegungen über Beteiligungen grundsätzlich kein Statement" gebe.

Lukratives Geschäft – auch für Russmedia

Jedenfalls konnte der Konzern so an dem lukrativen Geschäft zumindest mitnaschen, denn Media-Team-Kunden gab es viele. In dem 2009 verfassten Whistleblower-Brief wird nicht nur die Wirtschaftskammer, sondern auch die Vorarlberger Gebietskrankenkasse, die Ärztekammer, die Landwirtschaftskammer, das "Kirchenblatt", die Fachhochschule Vorarlberg, der Wirtschaftsverlag oder auch Vorarlberg-Tourismus aufgezählt. Und dass der Inseratenmarkt im Ländle ganz klar von Russmedia dominiert wird, davon können Mitbewerber und neue Player am Markt ein Lied singen. 2013 stieg Russmedia also ein und hielt dann knapp 40 Prozent an Media Team, seit Kessler Ende letzten Jahres seine Anteile an der Firma abgegeben hatte, stiegen die Anteile auf knapp 75 Prozent, den Rest hält der Geschäftsführer der kleinen Agentur.

Langjährige Probleme in der Kammer

Ganz allgemein wird in dem Dokument Kritik daran geäußert, dass in der Vorarlberger Wirtschaftskammer Besetzungen nicht durch eigentlich notwendige Ausschreibungen erfolgen würden. Auch das ist heute noch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu hören. Ein Kurzzeit-Wirtschaftskammer-Direktor habe sich dafür eingesetzt, die Inseratenabwicklung für die Magazine auszuschreiben, der sei aber "abgesetzt" worden, heißt es im Brief des Whistleblowers.

Grafik: Der Standard

Tatsächlich kam es im Oktober 2009 zu einem Wechsel an der Spitze der Kammer, der unter Mitarbeitern – wie es in damaliger Berichterstattung heißt – für Unmut gesorgt habe. "Peter Kircher konnte trennen zwischen Partei und Interessenvertretung. Das war im Weg, und er wurde abserviert", erinnert sich einer an die damalige Zeit. Die Zusammenarbeit mit dem Media Team dürfte erst 2016 erstmals ausgeschrieben worden sein, 2021 zum letzten Mal.

Das Dienstauto

Und auch Natters Dienstauto ist damals schon Thema. Bei der Betriebsprüfung 2022 merkten die Finanzprüfer bekanntermaßen an, dass Natter offenbar ein Dienstauto quasi mit in die Pension genommen habe, ohne dafür bezahlt zu haben. 2009 schreibt der Hinweisgeber ans Finanzamt, Natter fahre ein neues Dienstfahrzeug auf Kosten des Wirtschaftsbundes – und zwar in derselben Farbe, damit das nicht auffalle. Fragen der Verrechnung eines Privatanteils beziehungsweise die steuerliche Behandlung würden nicht gestellt. Die Vorliebe bei Automarken dürfte über die Jahre die gleiche geblieben sein, in beiden Fällen ist von einem BMW X die Rede.

"Alle schimpfen nur hinter vorgehaltener Hand"

Alles in allem handle es sich wohl um die "Bildung von marktbeherrschenden Zusammenschlüssen", heißt es in dem Brief. Aber: "Alle schimpfen, aber nur hinter vorgehaltener Hand, weil sie Angst vor Retorsionsmaßnahmen (sic!) haben." Auch das klingt vertraut. Auch mit dem Publikwerden der Zustände in diesem Jahr beschrieben viele, dass das "System" schon lange quasi jeder kenne. Selbst Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) räumte ein, womöglich "zu lange zugeschaut" zu haben. 2009, als das System dem anonymen Hinweisgeber schon sauer aufstieß, war Wallner freilich noch nicht einmal im Amt.

All das zeigt natürlich auch, dass mit dem vierseitigen Brief, der an das Finanzamt ging, nicht viel passiert sein dürfte. Am Mittwoch haben in Vorarlberg die Parteien im Landtag wieder die Gelegenheit, über die Causa zu diskutieren – eine aktuelle Stunde zum Wirtschaftsbund ist in der Landtagssitzung vorgesehen. (Lara Hagen, 7.6.2022)