Der Fahrgastverband Pro Bahn rät nicht unbedingt die beliebtesten Strecken, wie jene nach Sylt, mit dem 9-Euro-Ticket zu nutzen.

Foto: Reuters / FABIAN BIMMER

Berlin – Übervolle Züge in deutschen Urlaubsregionen, Gedränge auf Bahnsteigen sowie Verspätungen und verärgerte Kunden – für die Rabattaktion mit dem Neun-Euro-Monatsticket war die Pfingstreisewelle ein erster Härtetest. Bei der Deutschen Bahn hieß es vor der anstehenden Rückreisewelle am Montag nur: "Wie erwartet gab und gibt es regionale Spitzen im Fahrgastaufkommen, insbesondere zu touristischen Zielen."

Der deutsche Fahrgastverband Pro Bahn wiederum sprach von einem Chaos zu Pfingsten. "In den Hauptreisezeiten war die Nachfrage auf den Hauptstrecken so stark, dass Züge nicht abfahren konnten. Und einige Bahngesellschaften – etwa die Metronom in Norddeutschland – haben die Fahrradbeförderung ausgeschlossen, weil sie dem Ansturm nicht Herr wurden", sagte Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn am Montag.

Einige Fahrgäste mussten wieder aussteigen

Über das Pfingstwochenende sind alljährlich viele Regionalzüge vor allem in Urlaubsregionen gesteckt voll. Diesmal kamen aber noch die Neun-Euro-Tickets hinzu. Diese gelten im Juni, Juli und August und ermöglichen jeweils für einen Monat beliebig viele Fahrten in Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs in ganz Deutschland – viel günstiger als normale Monatstickets, die zudem nur im Verbundbereich gelten.

Während des langen Pfingstwochenendes waren nach Angaben der Deutschen Bahn Regionalzüge insbesondere zu touristischen Zielen sehr stark nachgefragt – etwa Richtung Ost- und Nordsee. Reisende hatten von teils völlig überfüllten Zügen berichtet, es sei zu Verspätungen gekommen. Aus einigen Zügen mussten Fahrgäste wieder aussteigen. Auch konnten Reisende Fahrräder teils nicht mitnehmen. Bei der Deutschen Bahn hieß es am Montag, für eine ausführliche Bilanz sei es noch zu früh. Eine Branchen-Zwischenbilanz werde der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Mitte dieser Woche vorlegen.

Naumann: Angebot ohne Kapazitäten

Bundespolizisten waren über Pfingsten verstärkt im Einsatz, um Bahn-Mitarbeiter zu unterstützen – etwa wenn Fahrgäste aufgefordert werden mussten, überfüllte Züge zu verlassen. Wie häufig überfüllte Züge gestoppt werden mussten, war zunächst nicht von der Deutschen Bahn zu erfahren.

Das Chaos in Deutschland sei vorhersehbar gewesen und Folge eines politischen Angebots, ohne dafür über die nötigen Kapazitäten im Bahnverkehr zu verfügen. "Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht", sagte Naumann. Gut am Neun-Euro-Ticket sei, dass dadurch der öffentliche Nahverkehr wieder ins Gespräch gebracht worden sei. "Es funktioniert aber nur, wenn die Kapazitäten vorhanden sind", betonte Naumann.

Punks feiern Poolparty in Stadtbrunnen

Pfingsten galt als erster Härtetest für die Rabattaktion. Mit dem Fahrschein kann man jeweils einen Monat lang deutschlandweit den Nahverkehr nutzen, das Ticket ist für Juni, Juli und August erhältlich. Es soll etwa Pendler unterstützen und außerdem helfen, neue Nutzer dauerhaft vom Umstieg auf die Bahn zu bewegen.

Diese Gelegenheit haben sich auch zahlreiche Punks nicht entgehen lassen. Nach dem Motto "Günstiger gehts nicht" haben sich einige Gruppen in den Fußgängerzonen und auf öffentlichen Plätzen versammelt und in dem einen oder anderen Stadtbrunnen "Poolpartys" veranstaltet.

In den Sylter Fußgängerzonen ist aktuell wohl doch etwas mehr los als sonst.
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Pro Bahn erwartet für die kommenden Sommermonate weitere Probleme. Bahnreisenden riet er darum, wenn möglich nicht am Wochenende zu fahren, sondern auf Tage in der Wochenmitte auszuweichen und das Ausflugsziel zu überdenken. "Muss es unbedingt Sylt sein, Warnemünde oder der Tegernsee – oder gibt es nicht auch andere schöne Gegenden, wo die Nachfrage geringer ist?", so Naumann. (APA, red, 6.6.2022)