Veruntreuung, schwerer Betrug: Diese Vorwürfe prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft rund um die Gläubigerschützer.

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Die Causa hat einst viel Staub aufgewirbelt – unter Juristen ebenso wie unter Gläubigerschützern. Nach dem Tod eines recht prominenten Wiener Rechtsanwalts, der sich im Herbst 2014 das Leben genommen hatte, kam auf, dass dieser jahrelang Klientengelder pflicht- und widmungswidrig verwendet hatte – wohl um seinen Lebensstil samt Wohnsitzen im Süden und einer Yacht zu finanzieren. Es folgte ein aufwendiges Insolvenzverfahren der Verlassenschaft nach dem Juristen, mit vielen Anfechtungsklagen.

Die Sache war besonders haarig: Der Jurist war ab den 2000er-Jahren eine Art Vertrauensanwalt des Kreditschutzverbandes (KSV) von 1870 gewesen, des größten der vier Gläubigerschutzverbände des Landes. Er trieb auch Forderungen einer großen Versicherungsgesellschaft ein, die ein Hauptkunde des KSV 1870 war. Ihr fehlten, als die Malversationen intern aufflogen, Millionen.

Schwere Vorwürfe

Nun ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen vier Beschuldigte wegen Verdachts auf Veruntreuung und schweren Betrug: gegen die KSV 1870 Forderungsmanagement GmbH sowie gegen (Ex-)Manager dieser Enkelgesellschaft des Gläubigerschutzverbandes. Die Behörde hat zudem kürzlich ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie sie auf Anfrage erklärt. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die Ermittlungen basieren auf einer Sachverhaltsdarstellung der Kanzlei Böhmdorfer Schender (B&S) von vorigem Juni, die Geschädigte vertritt. Der Vorwurf, kurz zusammengefasst: Ende 2011 sei intern aufgeflogen, dass der Anwalt Klientengelder abgezweigt habe, er selbst habe seine Tätigkeit damals beenden wollen. Doch die Gläubigerschützer hätten ihn dazu bewegt, ja genötigt, weiterzutun.

Versicherer sollte Geld bekommen

Dabei sei es vor allem darum gegangen, an Geld zu kommen, um den Millionen-hohen Schaden des großen Versicherungskunden abzudecken. Man müsse schauen, dass er "genug verdient, damit man den Versicherer bedienen könne", meinte einer der Beschuldigten damals laut Unterlagen.

Später, im Insolvenzverfahren, wurde all das dann Thema, im Rahmen von Anfechtungsklagen des Masseverwalters und einem Vergleich musste der Versicherer, der ab 2012 rund 2,6 Millionen Euro rückbezahlt bekommen hatte, Geld an die Masse rückerstatten. Wie viel, das ist nicht öffentlich bekannt. Erste Ermittlungen der Justiz wurden 2015 eingestellt. Nun gibt es neue Unterlagen.

Anwalt stand unter Kontrolle

Gemäß diesen suchte man bereits 2012 nach Zwischenfinanzierungen für den Anwalt. Ein Unterfangen, das dieser selbst für "eher unwahrscheinlich" hielt. Ab 2013 saß eine KSV-Sekretärin in seiner Kanzlei, um ein Auge auf alles zu haben. Einmal im Monat wurde sein Konto kontrolliert.

Per Notariatsakt traf der Versicherer mit dem Anwalt Ratenvereinbarungen, die der aber letztlich auch nicht einhalten konnte, wie man bei der KSV-Enkelgesellschaft wusste. "Ich habe ihn überzeugt, dass es sinnvoll ist (...) einen neuen Ratenplan für 2013 zu erstellen. Allenfalls werden wir von einer Verzögerung in die nächste schlittern und nur Unruhe erzeugen", schrieb einer der Beschuldigten Anfang 2013.

KSV vor den Folgen gewarnt

Ein damals mit der Sache befasster Anwalt warnte den KSV daraufhin, dass eine Insolvenz samt "Aufrollung des gesamten Vorgangs sehr unangenehme Folgen haben könnte". Er wolle sich nicht "ausmalen, was das für den KSV 1870 bedeutet", es bestehe "dringender Handlungsbedarf in Bezug auf die weiteren Kunden, denen Gelder vorenthalten sind".

Laut einem Privatgutachten, das im Konnex mit dem Verfahren erstellt wurde, war der Anwalt schon Ende 2011 zahlungsunfähig. KSV 1870 und der Versicherer hätten bereits damals erkannt bzw. erkennen müssen, dass ihm ein Weiterbetrieb seiner Kanzlei "auf diese Weise unmöglich war".

KSV weist Vorwürfe zurück

Der Anwalt der KSV Forderungsmanagement, Wolfgang Schubert, will sich nicht zum laufenden Verfahren äußern. Aus dem Unternehmen ist zu hören, dass man die Behauptungen als falsch zurückweist. Im Vorjahr hatte der KSV 1870 in einer Stellungnahme zu einem Bericht im Profil betont, der KSV 1870 bzw. andere Unternehmen der Gruppe seien "nicht betroffen". Eine angebliche Nötigung des Anwalts sei im konkreten Fall rechtlich überhaupt ausgeschlossen. (Renate Graber, 7.6.2022)