Wenn Frauen ohne Kinder und Partner oder Partnerin leben, wird das bis heute oft als "Übergangsphase" abgetan.

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Ausgiebig Zeit mit Freunden verbringen, Pläne schmieden, nicht aus dem Büro zuhause anrufen müssen, wenn es einmal später wird. Für Katharina Gärtner* macht diese Unabhängigkeit ihr Singledasein aus. Seit 13 Jahren lebt die 41-jährige Juristin ohne Partnerschaft, traurig stimmt sie das nicht. "Erst war da keine Zeit wegen der Arbeit. Und irgendwann habe ich realisiert, dass ich gar keinen Partner suche", erzählt sie. Aufgewachsen im katholisch-bürgerlichen Salzburg zeichnete auch Gärtner sich ein Bild von der traditionellen Kleinfamilie: Mann, Kind, irgendwann ein Haus, so der Plan. "Aber jetzt weiß ich, es ist gut so, wie es ist."

Ohne Partnerschaft durchs Leben zu gehen, ist längst nicht mehr ungewöhnlich. Auch wenn Alleinlebende und Menschen ohne Partnerschaft nicht gleichgesetzt werden dürfen: Die Zahl der Singlehaushalte wächst in Österreich stetig. Über 1,5 Millionen Menschen lebten im vergangenen Jahr allein. Seit Mitte der 1980er-Jahre hat sich diese Zahl nahezu verdoppelt, meldete die Statistik Austria. Doch die Norm der romantischen Zweierbeziehung wirkt nach wie vor stark – besonders auf Frauen. "In patriarchalen Gesellschaften schlägt Frauen Abwehr entgegen, wenn sie die für sie vorgesehene sorgende Rolle nicht einnehmen. Frauen unterliegen einem höheren Rechtfertigungsdruck, keinen Partner und keine Kinder zu haben", sagt die Wiener Soziologin Laura Wiesböck. Ein Grund dafür: Historisch leite sich der Wert von Frauen ganz wesentlich von der Zugehörigkeit zu einem Mann ab.

Hollywood-Glück

Auch Hollywood hat diese Geschichte bereits tausendfach erzählt: Hetero-Frau um die 30 sucht Traumprinz, um dem vollendeten Lebensglück ein entscheidendes Stück näherzukommen. Kaum jemand verkörpert dieses Genre wie Bridget Jones: Bridget hält Diät, krempelt ihre Garderobe um und gibt das Rauchen auf – nur um auf Partys endlich nicht länger ohne Partner auftauchen zu müssen. Über dreißig und noch Single: bemitleidenswert, so die Botschaft der erfolgreichen Romanverfilmung. Auch Katharina Gärtner kennt diese Zuschreibungen. "Besonders im katholischen Umfeld ist es quasi undenkbar zu sagen: Weder Mann noch Kind sind Teil meiner Lebensplanung", erzählt sie im STANDARD-Gespräch. "Ich bin nicht traurig, mein Leben ist toll – das will keiner hören. Das ist eingebildet, bekommt man dann vermittelt."

Auffällig sei dabei, dass Beziehungen häufig mit glücklichen Beziehungen gleichgesetzt würden, so Laura Wiesböck. "Paarbeziehungen sind unterschiedlich geprägt, etwa durch Unterstützung, Vertrauen, Stabilität, Abhängigkeit, Kontrolle oder Gewalt. Dass eine Paarbeziehung per se zufriedener macht, lässt sich allgemein nicht sagen."

Dass Männer mit völlig anderen Bildern vom Paarglück konfrontiert sind, zeigt sich wochenends, wenn Junggesellenabschiede durch die Innenstädte ziehen. "Future Mrs.", also zukünftige Ehefrau, ist da auf zartrosa Schärpen zu lesen, während für Männer symbolisch die Handschellen klicken. "Letzter Tag in Freiheit" wird gerne auf T-Shirts gedruckt – die männliche Freiheit scheint vor dem Traualtar zu sterben.

Familienarbeit mit Folgen

"Ich erlebe, dass sich für Männer, wenn sie eine Familie gründen, oft gar nicht viel ändert", sagt die Diplom-Sozialpädagogin und Psychotherapeutin Barbara Schrammel, die unter anderem für "Frauen beraten Frauen" in Wien arbeitet. Männer würden meist weiterhin berufstätig bleiben und sich auf den Job konzentrieren. "Für Frauen ändert sich in der Regel aber sehr viel: Sie gehen in Karenz, arbeiten in Teilzeit, übernehmen die Sorgearbeit und den Mental Load", so Schrammel. Frauen fühlen sich verantwortlich für das Familienleben, sie haben Arzttermine ebenso im Blick wie den halbleeren Kühlschrank – eine mentale Last.

Rund 73 Prozent der erwerbstätigen 25- bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten hierzulande in Teilzeit, bei den Männern sind es gerade einmal sieben Prozent. Die daraus resultierenden Einkommensunterschiede schreiben sich auch im Gender-Pension-Gap fort: Frauen erhielten 2021 im Durchschnitt um 38 Prozent weniger Alterspension als Männer, wie der Jahresbericht der österreichischen Sozialversicherung zeigt.

Die strikte Aufgabenteilung in Hetero-Partnerschaften wirkt auch nach Scheidungen weiter. Bei den über 50-Jährigen lasse sich ein geschlechtsspezifisches Phänomen beobachten, erklärt Laura Wiesböck. "Studien zeigen, dass nach Trennungen mehrheitlich Männer erneut eine Ehe eingehen. Frauen ziehen es eher vor, Zeit für sich zu verwenden, nachdem sie sich jahrelang um Partner und Kinder gekümmert haben", sagt die Soziologin. Männer müssten nach einer Trennung also plötzlich lernen, Wäsche zu waschen und zu kochen, während die Arbeitsbelastung von Frauen sinke und sie mehr Freizeit zur Verfügung hätten.

Keine Abstriche

"Single sein bedeutet Unabhängigkeit", sagt auch Karin Fischer. Die 54-Jährige lebt seit 2019 allein. Selbstbestimmt und ohne Einschränkungen gestaltet sie ihren Alltag – anders, als sie das davor erlebte. "Ich genieße es, meinen Hobbys nachzugehen, zu reisen und mein Leben selbst auf die Beine zu stellen", erzählt sie im STANDARD-Gespräch. Als überzeugten Single sieht Fischer sich deshalb nicht. "Es ist schön, Dinge gemeinsam zu erleben, Momente zu teilen." Hin und wieder tauche der Wunsch nach einer Beziehung auf, doch die Steirerin ist nicht mehr bereit, dafür Abstriche zu machen. "Wenn ich nach Hause komme, denke ich oft: Gott sei Dank ist da jetzt niemand, der sich beschwert, weil es zwei Stunden später geworden ist oder weil der Geschirrspüler nicht ausgeräumt ist."

In Fischers engstem Freundeskreis sind fast alle Single. Frauen, die ohne Partner leben, würden meist ein gesundes Selbstbewusst entwickeln, sagt die 54-Jährige. "Und ich beobachte, dass viele Männer ein Problem damit haben. Sie haben Angst davor, mit solchen Frauen eine Beziehung einzugehen, vielleicht weil sie meinen, dann unterbuttert zu werden", sagt Fischer.

Stabil und brüchig zugleich

Wer indes auf Social Media dem Paarglück nachspürt, findet dort eine breite Palette: Pastellfarbene Traumhochzeiten mischen sich zwischen Postings, die die monogame Zweierbeziehung offen infrage stellen und neue Lebensformen diskutieren. "Zwar können wir in manchen Milieus Öffnungen hinsichtlich der Zweierbeziehung beobachten, in denen die Grenze zwischen Singledasein, Partnerschaft, Freundschaft und Familie verschwimmt. Gleichzeitig lässt sich eine größere Sehnsucht nach dauerhaften Paarbeziehungen feststellen", sagt Soziologin Wiesböck. Das drücke sich etwa in aufwendig inszenierten Meilensteinen wie Heiratsanträgen oder Babypartys aus. Unterschiedliche Entwicklungen würden also parallel ablaufen.

Ähnliches beobachtet auch Barbara Schrammel in ihrem Beratungsalltag. In die Therapie oder die Beratung kämen regelmäßig Frauen, die sehr darunter leiden würden, Single zu sein. Daneben gebe es aber auch jene, die sich ganz bewusst fürs Alleinleben entscheiden. "Ich sehe auf jeden Fall, dass das tradierte Bild von Zweierbeziehungen tatsächlich für viele nicht mehr passt", sagt Schrammel. Die harte Grenze zwischen Singles und Menschen in Paarbeziehungen – sie könnte künftig brüchig werden. (Brigitte Theißl, 8.6.2022)