Foto: APA/AFP/Ricardo Arduengo

Mit der Pünktlichkeit von Wetterphänomenen ist es normalerweise nicht weit her. Doch eines lässt sich präzise vorhersagen: Im Juni bilden sich überproportional oft Regenbögen – auf Gebäuden, Verkehrsmittel, Taschen, T-Shirts. Ja, sogar auf Unterwäsche und Socken.

Zahlreiche Unternehmen lancieren nämlich entsprechende Kollektionen oder tauchen zumindest ihr Logo in Regenbogenfarben. Damit wollen sie sich auf die Seite von Lesben, Schwulen, Transpersonen und alle anderen Teile der LGBTQ-Community stellen, die im "Pride Month" Juni Aktionen für mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz setzen. Ihr Symbol: der Regenbogen.

Doch oft ist die vermeintliche Unterstützung bloße Marketingaktion. Die Unternehmen machen mit den Produkten in bunter Optik guten Umsatz und verpassen sich ganz nebenbei ein liberales Image. Einen echten Beitrag gegen die Diskriminierung queerer Personen stellt das aber nicht dar. Von "Rainbow-Washing" ist dann die Rede.

Queere Sandwichs und gelebte Diversität

Ein besonders plakatives Beispiel hierfür ist die britische Einzelhandelskette Marks & Spencer, die 2019 ein LGBT-Sandwich – natürlich verpackt in Regenbogenfarben – verkaufte. LGBT stand aber nicht für Lesbian, Gay, Bi, Trans, sondern für Lettuce (grüner Salat), Guacamole, Bacon (Speck) und Tomate. Was der Belag eines Weckerls mit Queerness zu tun hat? Gar nichts. Dementsprechend sorgte die Aktion für großen Spott auf Social Media.

Ein subtileres, dafür umso perfideres Vorgehen wird dem US-amerikanische Discounter Walmart vorgeworfen. In den riesigen Geschäften gibt es zwar Regenbogenkollektionen zu kaufen, gleichzeitig soll das Unternehmen zahlreichen Medienberichten zufolge aber auch juristische Kampagnen gegen medizinische Behandlungen von Transpersonen mit mehreren Hunderttausend Dollar finanziert haben.

Spott für das "queere" Sandwich von Marks & Spencer.

Manche Unternehmen sind in ihrer Bereitschaft zur Unterstützung der queeren Community auch geografisch gesehen recht flexibel. So würden manche international agierenden Unternehmen in der EU und den USA Produkte in Regenbogenfarben vertreiben, während sie sich das in Staaten, in denen beispielsweise homosexuelle und transidente Personen strafrechtlich verfolgt werden, nicht trauten, heißt es vonseiten der Queerbase, eines in Wien ansässigen Vereins, der Beratung in LGBTQ-Fragen bietet. "Es ist sehr kritisch zu sehen, wenn Unternehmen sich sozusagen mit unseren Farben schmücken wollen, aber im Zweifelsfall nicht hinter uns stehen."

Es gibt aber nicht nur schwarze Schafe unter den Unternehmen. Firmen wie IBM oder SAP setzen auch außerhalb des Pride Month auf Diversität. Kurse für die Belegschaft zur Sensibilisierung in LGBTQ-Belangen, genderneutrale Toiletten oder finanzielle Unterstützung juristischer Kampagnen gegen Diskriminierung sind Belege für eine inkludierende Unternehmenskultur.

Orientierungshilfe für die Kundschaft

Man muss sich aber schon eingehender mit der jeweiligen Firma beschäftigen, um zu erkennen, ob hinter den Aktionen der Unternehmen echtes Engagement oder Rainbow-Washing steckt. Der potenziellen Kundschaft kann ein Blick auf Social Media Aufschluss geben: Wird queerfreundlicher Content das ganze Jahr über oder nur im Juni gepostet? Spiegeln die Fotos ein diverses Gesellschaftsbild wider oder werden Klischees und klassische Geschlechterrollen bedient?

Die Wiener Linien setzen auf ihren Social-Media-Kanälen auf Diversität.

Auch bei der Darstellung von nichtheterosexuellen Personen sei es wichtig, stereotype Vorstellungen von "der Lesbe", "dem Schwulen" zu vermeiden, sagt Astrid G. Weinwurm-Wilhelm. Sie ist Präsidentin von Pride Biz Austria. "LGBTIs sind genauso vielfältig wie alle anderen Menschen", so die Organisationsberaterin mit dem Schwerpunkt Diversity-Management.

Ein weiterer Anhaltspunkt für Engagement, das über Rainbow-Washing hinausgeht: Die Firma teilt ihre Gewinne aus dem Verkauf von Pride-Kollektionen mit der queeren Community. So werden die Produkte mit dem Hinweis versehen, dass an einschlägig wohltätige Organisationen gespendet wird. Das ist natürlich positiv zu bewerten. Doch wenn die Formulierung "ein Teil des Erlöses" lautet, ist das verdächtig schwammig. Wie viel Geld kommt dann wirklich an?

Transparenz und Authentizität

Als mögliche Empfängerin der Gelder ist die Queerbase beispielsweise um mehr Transparenz bemüht: "Der Verein ist zu einem großen Teil spendenfinanziert. Wir machen den Einsatz dieser Mittel regelmäßig transparent." Der Jahresbericht ist demnach auf der Website der Friends of Queerbase einsehbar. Dort kann man auch an den Verein spenden.

Unterstützung der LGBTQ-Anliegen geht aber darüber hinaus. Katharina Cziczatka, Generalsekretärin von Pride Biz Austria, sagt: "Unternehmen sollen sich intensiv mit Diversity auseinandersetzen und Maßnahmen für ein wertschätzendes offenes Arbeitsumfeld setzen, damit sich alle Personen mit ihrem vollen Potenzial einbringen können." Commitment auf Führungsebene oder ernsthafte Aufarbeitung diskriminierender oder homophober Vorfälle seien wichtig. Denn nur wenn im Unternehmen eine liberale und diverse Kultur gelebt wird, können Rainbow-Washing-Vorwürfe und Shitstorms vermieden werden. (Michael Steingruber, 8.6.2022)