Inbetriebnahme einer Wasserstoffelektrolyse Anlage von Shell im deutschen Wesseling. Auch in Österreich müssen die Kapazitäten für die Herstellung von grünem Wasserstoff hochgefahren werden.

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Lange Zeit galt Wasserstoff als Wunderwaffe für den Klimaschutz. Selbst in der Automobilindustrie wurden damit betriebene Fahrzeuge als Alternative zur Elektromobilität gehandelt. Mit der neuen Wasserstoff-Strategie der österreichischen Bundesregierung scheint die Vision jedoch einem Ende entgegenzublicken. Nur in Ausnahmefällen, etwa für den überregionalen Verkehr mit LKW oder Bussen soll Wasserstoff, neben nachhaltig herstellbaren E-Fuels, im Bereich der Mobilität in Österreich noch eine Rolle spielen.

Für Markus Valtiner, Professor am Institut für Angewandte Physik an der Technischen Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Kompetenzzentrums für elektrochemische Oberflächentechnologie (CEST) in Wiener Neustadt, stellt das an sich "einen Schritt in die richtige Richtung" dar. "Der immer besser werdende Wirkungsgrad von elektrisch betriebenen Fahrzeugen ist im Vergleich zur Brennstoffzelle schon heute fast doppelt so hoch." Mit Elektromobilität könne Ökostrom wesentlich effizienter eingesetzt werden, auch im direkten Vergleich zu E-Fuels.

Präsentation eines mit Wasserstoff betriebenen Autos. Galten derartige Fahrzeuge bis vor kurzem als Zukunftshoffnung, haben ihnen inzwischen Elektroautos den Rang abgelaufen.
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Doppelte Verluste

Das hänge mit thermodynamische Wärmeverluste zusammen, die in Wasserstoff-Autos gleich doppelt nachtteilig wirken: Grüner Wasserstoff muss zuerst mittels Ökostrom per Elektrolyse gewonnen und dann in einer Brennstoffzelle wieder in elektrische Energie rückverwandelt werden. Im Elektroauto kann Strom hingegen mit hohem Wirkungsgrad (95 Prozent) in Batterien gespeichert und direkt in den Elektromotor fließen. "Der Wirkungsgrad von Wasserstoffautos ist damit mit einem Diesel- oder E-Fuel-PKW vergleichbar." Für weite Distanzen sei es sinnvoll, Wasserstoff und E-Fuels zur Direktverbrennung einzusetzen, wenn eine Dekarbonisierung anders nicht möglich wäre.

Mit der neue österreichischen Wasserstoff-Strategie soll daher auch die Grundlagen für die Produktion von E-Fuels geschaffen werden, bei der in Power-to-X-Prozessen Treibstoff direkt aus Strom und CO2 hergestellt wird. "Das kann auch deshalb interessant sein, da man damit auch negative Emissionen generieren kann", sagt Valtiner vom CEST. Das Kompetenzzentrum wird im Comet-Programm der Forschungsförderungsgesellschaft FFG durch das Klima- und das Digitalisierungsministerium gefördert.

Valtiners Team, das neben Power-to-X-Prozessen auch an neuen Batteriegenerationen forscht, sieht den Wasserstoff mittlerweile auch in anderen Bereichen im Rückzug begriffen. So könnten "neue Batteriegenerationen Ökostrom wesentlich energieeffizienter zwischenspeichern als durch Elektrolyse gewonnener grüner Wasserstoff."

Neue Batterie-Generationen

Da wären etwa die Redox-Flow Batterien: Diese Flüssigbatterien verwenden für die elektrochemische Stromspeicherung nicht mehr Blei oder Lithium-Ionen, sondern können mit Salzen aus Vanadium oder Magnesium aber auch mit metallfreien Speicherstoffen – etwa Natrium oder organischen Verbindungen wie Lignin – betrieben werden. Da die Energiedichte noch gering ist, sind die Batterien groß und schwer. Als Netzspeicher für (überschüssigen) Wind- oder Solarstrom könnten sie sich, wie Probeanlagen zeigen, dennoch hervorragend eignen. Ihr Wirkungsgrad liegt, je nach Bauweise, bereits bei zwischen 75 und 95 Prozent.

Generell wird grüner Wasserstoff als Prozessgas nicht nur für die chemische Industrie Sinn machen. So könnte grüner Wasserstoff auch Koks ersetzen, das für das Erschmelzen von Eisen und Stahl nötig ist. "Wissenschaftlich sind die Anlagen dafür schon weit fortgeschritten", sagt Valtiner. Allerdings würde diese Prozessumstellung raue Mengen an grünem Wasserstoff verschlingen, laut Wasserstoff-Strategie rund 23 Terrawattstunden. Das entspricht etwa der dreifachen Menge des Windstroms, der 2021 in Österreich erzeugt wurde.

In der Stahlerzeugung könnte grüner Wasserstoff künftig jenes Koks ersetzen, das bis dato für die Schmelze von Stahl und Eisen benötigt wird.
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Hohe Nachfrage, zu wenig Angebot

Der geplante Ausbau der Elektrolysekapazitäten für grünen Wasserstoff von jährlich vier Terrawattstunden bis 2030 erscheint dabei wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Nachfrage nach klimaneutralem Wasserstoff beträgt in der heimischen Industrie laut Klimaschutzministerium schon im energieeffizienten Wasserstoff-Szenario das 15-fache der anvisierten Elektrolysekapazität. Der Import von grünem Wasserstoff stellt daher eine tragende Säule der Wasserstoff-Strategie dar.

Wird Wasserstoff in Zukunft vermehrt eingesetzt, müsste man auch auf einen bisher wenig beachteten Aspekt Rücksicht nehmen: "Wasserstoff kann zu erheblichen Korrosionsproblemen führen", sagt Valtiner. Erdgasleitungen könnten daher nicht ohne weiteres für den Wasserstofftransport mit mehr als zehn Volumprozent Gasanteil freigegeben werden. Doch: "Wir forschen am CEST daran wie Wasserstoff sich in Materialien verhält um eine sichere Nutzung zu ermöglichen."