Die türkise Regierungsriege versammelte sich am 1. Mai 2019 zum "Familienfest" – ausgerichtet von den Bundesgärten.

Foto: BMNT/Gruber

Der folgende Text stammt aus "Inside Austria", dem gemeinsamen Newsletter von STANDARD und SPIEGEL, den Sie hier abonnieren können:

Das österreichische Landwirtschaftsministerium ließ sich nicht lumpen: Zauberer, Märchenerzähler und Musiker machten sein Familienfest 2019 unsicher. Kinder konnten sich kostenlos im Schminkstudio, bei Melkkühen, einer Torschusswand und in einer Hüpfburg vergnügen. Die Erwachsenen amüsierten sich bei dem Besten aus dem Musical "Elisabeth" und bei einem Auftritt von Rock 'n' Roller Andy Lee Lang. Und natürlich gab es Grußbotschaften: Kanzler Sebastian Kurz, Familienministerin Juliane Bogner-Strauß, Staatssekretärin Karoline Edtstadler und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (allesamt von der Kanzlerpartei ÖVP) ließen es sich nicht nehmen, die Besucherinnen und Besucher von der Bühne aus zu begrüßen.

Sie hatten an diesem Tag wohl nichts Wichtigeres vor, weil er politisch der Sozialdemokratie "gehört": Das türkis gefärbte Familienfest (türkis ist die Parteifarbei der ÖVP) fand nämlich ausgerechnet am 1. Mai 2019 statt. Das ist nur eine von mehreren Merkwürdigkeiten, die die Veranstaltung bis heute umgeben. Bislang unbekannte Dokumente, die STANDARD und SPIEGEL vorliegen, zeigen, wie mühsam und langwierig die politische Aufarbeitung der Ära Türkis ist. Denn das Familienfest ist, zumindest aus Sicht seiner Kritikerinnen und Kritiker, nur ein ganz kleines Puzzlestück in der Frage, wie die ÖVP öffentliches Geld und die öffentliche Verwaltung mutmaßlich für parteipolitische Zwecke eingespannt hat.

Warum am 1. Mai?

Diese Frage ist zentral für den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, der seit Anfang Dezember vergangenen Jahres arbeitet. Ihm wurden nun interne Dokumente der Regierung zum Familienfest übermittelt. Für Türkis-Blau (Blau ist die Parteifarbe der rechten FPÖ) war ja kurz nach der ausgelassenen Sause im Schlosspark Schönbrunn Schluss, weil ein gewisses Video von Ibiza erschien. Die Nachfolgeregierung, ein sogenanntes Expertenkabinett unter Leitung der früheren Höchstrichterin Brigitte Bierlein, und die Ministerien wurden daraufhin von den anderen Fraktionen im Nationalrat aufgefordert, eine Sonderprüfung einzuleiten.

Sie sollte etwa der Frage nachgehen, warum just der 1. Mai als Termin gewählt wurde. Wer hat entschieden, eine "Gegenveranstaltung" zum Maiaufmarsch der linken Parteien anzusetzen? Herausgefunden wurde das in den vergangenen drei Jahren nicht. Die zuständige Abteilung des

Landwirtschaftsministeriums verwies darauf, dass das Fest ja immer rund um den Tag der Familie am 15. Mai stattfinde – und der Tag sei leider schon durch eine interne Veranstaltung blockiert gewesen.

Angebot "großzügig erweitert"

Organisiert hätten das Ganze aber ohnehin die Ministerinnenbüros sowie die Österreichischen Bundesgärten – also jene Behörde, die sich um sogenannte Gartendenkmäler wie den Schlosspark Schönbrunn kümmert. Denn man habe ja auch 100 Jahre Bundesgärten und 450 Jahre Schlosspark Schönbrunn feiern müssen, wie es im Bericht der Internen Revision heißt. Beauftragt wurde eine ÖVP-nahe Agentur, die oft mit dem Landwirtschaftsministerium zusammenarbeitete. Deren Kostenschätzung habe sich von November 2018 bis Januar 2019 "mindestens verdreifacht", weil das Angebot "großzügig erweitert" worden sei, hieß es schon damals aus der zuständigen Abteilung.

Was im internen Bericht des Landwirtschaftsministeriums steht, weiß man bis heute nicht: Die Unterlagen wurden dem Untersuchungsausschuss offenbar nicht übermittelt. Geschadet hat es den Beteiligten jedenfalls nicht: Dieter Kandlhofer war damals Generalsekretär, dann Präsidialchef im Bundeskanzleramt – und Teilhaber einer Firma, die am Familienfest beteiligt war. Heute baut Kandlhofer im Verteidigungsministerium das Bundesheer um. Ministerin Köstinger wurde unter Türkis-Grün wieder Landwirtschaftsministerin; Familienministerin Bogner-Strauß ist mittlerweile Landesrätin in der Steiermark. Und das Familienfest bleibt ein Rätsel. (Fabian Schmid, 8.6.2022)