Ein Polizeibus zur mobilen Datenerfassung am Grenzübergang Nickeldsdorf. Die Zahl der Asylanträge ist in den ersten vier Monaten des Jahres 2022 stark angestiegen.

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Es stimmt: Die Zahl der Personen, die dieses Jahr bereits einen Asylantrag gestellt hat, ist viel höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Von Jänner bis April 2022 suchten 16.000 Menschen in Österreich um Asyl an. Das ist ein Anstieg von 138 Prozent. Wobei die Vorjahre auffallend geringe Zahlen aufwiesen – unter anderem wegen der Corona-Pandemie.

Die Flucht vor dem Ukraine-Krieg spielt da aber noch kaum hinein: So wurden in dem Zeitraum nur 453 Anträge von Ukrainerinnen und Ukrainern verzeichnet – Platz acht in der Länderstatistik. Es wird davon ausgegangen, dass der Großteil der Angekommenen noch auf eine Heimkehr hofft.

Grüner Vorwurf: "Rassistisch"

ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner äußerte sich am Pfingstwochenende via einer Aussendung und Twittereinträgen zu den Asylantragszahlen in einer Art und Weise, die ihr scharfe Kommentare von grüner Seite einbrachte: Österreich leide an der hohen Belastung durch die Anträge, teilte sie etwa mit. Grüne Abgeordnete twitterten retour, was sie da schreibe, sei "rassistisch" (Migrationssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic) und "menschenverachtend" (Klimaschutzsprecher Lukas Hammer). In Deutschland sperrte Twitter wegen der dort geltenden Gesetze sogar einen von Sachslehners Tweets.

Würde Sachslehner ihre Worte rückblickend anders wählen? "Würde ich nicht", sagt sie am Dienstag im STANDARD-Gespräch. Sie halte hier "wenig von einer emotional geführten Debatte". Die vielen Asylanträge seien eine Belastung für Österreich, dabei bleibe sie – belastend "für Behörden, Integration, Sozialstaat und Sicherheit im Land". Sachslehner pochte in ihrer Aussendung weiters darauf, dass man zwischen den Vertriebenen aus der Ukraine und anderen Migranten, "die meist aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich wollen", unterscheiden müsse. Sie nannte als Beispiel Afghanen und Syrer.

Die Antragsteller dieser Nationalitäten führen zwar die Statistik an: Afghanen (4.245 Ansuchen), gefolgt von Syrern (3.920). Allerdings gibt Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination zu bedenken, dass sie sehr oft als schutzbedürftig eingestuft würden, also in der Regel keine Wirtschaftsflüchtlinge seien.

"Keine Überraschung"

Sachslehner meint dazu, da sie einen so weiten Fluchtweg "schon durch sichere andere Länder" zurückgelegt hätten, gebe es offenbar auch wirtschaftliche Gründe. Koalitionskonflikt sieht Sachslehner keinen: "Das ist keine Überraschung, dass wir hier einen unterschiedlichen Standpunkt haben."

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kommentierte in der Sache nur die Asylzahlen: So sandte er aus, dass Asylanträge von Menschen aus Ländern mit "sehr geringer Bleibewahrscheinlichkeit" enorm gestiegen sei. "In Österreich stellen Personen aus Ländern wie Tunesien oder Marokko Asylanträge, wo Österreicherinnen und Österreicher auf Urlaub hinfahren", so Karner. Das überlaste das Asylsystem.

Die Zahl der Anträge von Tunesiern ist in der Tat stark gestiegen – und liegt nun bei 1.520, dem Dreifachen im Vergleich mit dem Vorjahr. Laut Karner werden 94 Prozent negativ beschieden. Schnelle Verfahren und konsequente Rückführungen seien hier wichtig, so Karner.

Koalition bleibt unbeeinflusst

Bei den Grünen wollte man der Causa am Dienstag nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Dass eine Einzelperson in der ÖVP damit in der Öffentlichkeit ein Thema setzen wolle, sei wenig überraschend, sagte ein Abgeordneter hinter vorgehaltener Hand. Auf die Arbeit in der Koalition habe das wenig Auswirkungen. Und auch aus anderen Ecken der Partei ist zu hören, Sachslehner versuche damit eben das Asylthema wieder neu aufzuköcheln.

Gahleitner-Gertz mutmaßt, dass Österreich wegen einer Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof auf Migrationsdruck aufmerksam machen wolle. Im April hieß es vom EuGH, für die Weiterführung der in der Flüchtlingskrise wieder eingeführten und stets verlängerten Grenzkontrollen müsse man eine Bedrohung für Ordnung und Sicherheit nachweisen. (Gudrun Springer, Martin Tschiderer, 7.6.2022)