Die CO2-Bepreisung ist das wichtigste klimapolitische Projekt der Grünen und war das entscheidende Argument für ihren Eintritt in die Koalition mit einem sicherlich schwierigen Partner. Die Verhandlungen mit der ÖVP über die erste Stufe zogen sich in die Länge und haben aus ökologischer Sicht ein eher mageres Ergebnis gebracht. Kein Wunder, dass die Verschiebung des Starttermins vom 1. Juli auf den 1. Oktober bei Umweltorganisationen und der Parteibasis für Unmut sorgt. Viele sehen darin ein weiteres Abrücken der türkis-grünen Regierung von ihren Klimazielen, an deren Erreichbarkeit ohnehin gezweifelt wird.

Wird fossile Energie günstiger, dann steigt auch der Konsum.
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Doch die harsche Kritik an den Grünen ist unberechtigt. Die Verschiebung um drei Monate ist ein geringer Preis dafür, dass trotz explodierender Energiepreise die Regierung ihren Klimakurs grundsätzlich beibehält und der Zorn geplagter Bürgerinnen und Bürger sich nicht noch mehr gegen sie richtet. Im Gegenzug hat die Regierung auf gravierendere Maßnahmen wie einen Preisdeckel oder eine Senkung der Mineralölsteuer verzichtet. Letzteres geschah in Deutschland, wo die Grünen ebenfalls mitregieren, und wird sich nicht so leicht rückgängig machen lassen.

Eine Verschiebung der CO2-Bepreisung um drei Monate spielt für die Frage, ob Österreich im Jahr 2040 die angestrebte Klimaneutralität erreicht, keine Rolle. Außerdem ist das Ziel der CO2-Steuer ein Lenkungseffekt, der Menschen dazu bringt, weniger Treibhausgase in die Luft zu blasen. Dafür sorgen derzeit ohnehin die hohen Öl- und Gaspreise – auch wenn es jedem im Land lieber wäre, wenn das Geld ins heimische Budget und nicht nach Russland oder Saudi-Arabien fließen würde.

Zugeständnisse

Die Verschiebung scheint mit einigen sinnvollen Korrekturen des ursprünglichen Beschlusses verbunden. Es ist politisch klug, die Einführung zeitlich an die Auszahlung des Klimabonus zu koppeln; das dämpft den Volkszorn. Ein einheitlicher Betrag für alle beseitigt die Bevorzugung ländlicher Gemeinden, für die es zwar ein paar sachliche Argumente gab, die aber vor allem als schwarze Klientelpolitik wahrgenommen wurde. Und wenn es den Grünen gelingt, in den Verhandlungen mit der ÖVP weitere Zugeständnisse wie etwa ein früheres Aus für Gasthermen im Neubau herauszuschlagen, dann zahlt sich das Zugeständnis für sie wirklich aus.

Wichtiger als die jetzigen Schritte ist der langfristige Kurs. Der Ölpreis wird sicher wieder fallen, so wie es seit 50 Jahren nach jeder Spitze geschah. Wird fossile Energie günstiger, dann steigt auch der Konsum. Diesem Muster sollte man jetzt, da Menschen mit dem teuren Sprit zu leben lernen, entgegenwirken. Möglich wäre ein Preisboden bei Gas sowie für Treibstoff bei etwa 1,50 oder 1,70 Euro – immer noch eine Entlastung gegenüber heute. Oder aber die Regierung einigt sich auf einen Mechanismus, mittels dessen zukünftige Öl- und Gaspreissenkungen nur zur Hälfte an die Verbraucherinnen weitergegeben werden. Kurz gesagt: Bei so hohen Energiepreisen kann die CO2-Steuer ruhig etwas warten; dafür aber sollte sie stärker angehoben werden, wenn Öl und Gas billiger werden.

Eine erfolgreiche Klimapolitik ist eine Gratwanderung zwischen sachlichen und politischen Zwängen. Ein weiterer Preissprung um neun Cent an der Zapfsäule in drei Wochen, für den dann den Grünen die Schuld zugeschoben wird, wäre kontraproduktiv. Dafür sollten auch Umweltaktivisten Verständnis haben. (Eric Frey, 8.6.2022)