Schnellfahrduell mit einem Dinosaurier: Chris Pratt hat in "Jurassic World Dominion" leicht die Nase vorn.

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Die typischste Einstellung der Jurassic-Serie ist im Grunde ironisch. Dinosaurier passen nicht richtig ins Bild, sie sind mehr als leinwandfüllend. Deshalb kommt in jedem Teil mindestens eine Szene vor, in der nur eine Dino-Schnauze zu sehen ist. Die schiebt sich wie eine böse Ahnung ins Bild, den Rest erledigt der Zuschauer dann im Kopf. In Jurassic World Dominion (dt.: Ein neues Zeitalter), dem dritten Teil des Reboots, einem Endspiel, taucht Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) einmal wie eine Nymphe in einen Teich, während die Riesenechse über dem Wasser verharrt und wie ein Yogi ausatmet – man meint förmlich, den Atem zu riechen.

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Auch daran kann man sehen, wie sich die Technologie Stück für Stück verbessert. Erstmals seit Steven Spielbergs epochalem Original von 1993 ist diesmal auch das Trio aus Laura Dern, Sam Neill und Jeff Goldblum wieder mit am Start und erweitert das Unternehmen Dinosaurierspaß mit den Stars des Reboots, Howard, Chris Pratt sowie Isabella Sermon als Teenager Maisie, zum Generationendrama. Eine bekannte Strategie in der Abendröte eines Franchises, um die eigene Geschichte zu feiern und möglichst viele Begehrlichkeiten aus dem Fanlager zu bedienen.

Das Motto lautet: Dino-Experten und -Aficionados aller Altersstufen, vereinigt euch im Kinosaal. Für nostalgische Gefühle fehlt es jedoch an Muße und Gelassenheit. Dass sich Spielberg rund 40 Minuten Zeit für die Exposition nahm, bis es zur ersten maßgebenden Action kam, das ist im Zeitalter hochfrequenzieller Multitaskprodukte undenkbar. Immerhin bleiben Dern und Neill als wiedervereinigtem charismatischem Wissenschafterpärchen ein paar Minuten, um romantische Gefühle zu reaktivieren. Ihr Altersunterschied von zwanzig Jahren wurde in den USA übrigens erst jetzt zum heiß diskutierten Thema.

Freie Wildbahn

Dominion, wie schon Jurassic World (2015) von Colin Trevorrow inszeniert, weicht erstmals deutlich von der engmaschigen Dramaturgie der Serie ab, die effizient an den Vergnügungsfahrten eines Themenparks orientiert war – ein Thrill jagte auf streng begrenztem Raum den nächsten. Nun leben die Dinosaurier in freier Wildbahn, mit allen Kalamitäten, die ein solches evolutionäres Durcheinander mit sich bringt. Sie sind überall zugleich, zu Erde, zu Luft und zu Wasser, und damit auch ein Menetekel unserer realen Welt, die mit hausgemachten Katastrophen wie dem Klimawandel zu kämpfen hat.

Die Kritik von Vorlagenautor Michael Crichton an biotechnologischer Willkür war noch bündig und prägnant, mit der globalen Ausweitung des Dramas fasert auch diese unweigerlich aus. Früher ging es bei Jurassic-Filmen nur darum, nicht gefressen zu werden. Jetzt steht die Wiederherstellung gestörter Umweltkreisläufe und das Miteinander der Arten auf der Tagesordnung – dazwischen wird munter weiter gefressen oder durch die Altstadt von Malta gejagt, als habe man ein Mission: Impossible-Sequel vor sich – eine der wenigen wirklich zügig exekutierten Attraktionen des Films.

Heuschreckenplage

Richtig dynamisch will der Erzählfluss von Trevorrow und seinem Autorenteam sonst nicht gelingen. Sie splittern die Handlung in mehrere Tangenten auf, die erst im letzten Drittel des fast zweieinhalb Stunden langen Films mit Mühe und Not zueinanderfinden. Dern und Neill sind dem Rätsel einer Heuschreckenplage auf der Spur, die wie alles in diesem Film etwas größer und ekliger als gewöhnlich ist. Im zweiten, actionbetonteren Strang suchen Pratt und Howard nach der entführten Maisie, deren DNA noch wertvoller als jenes der Echsen ist.

Man sieht schon, das Drehbuch ächzt und krächzt in seiner Themenfülle, während die Dinos vor Ungeduld schnarren und manchmal aus dem Schatten zum Angriff übergehen. Tierschützer, Cowboys und Wissenschafter kämpfen an einer Front – auf der anderen steht ein gewissenloser Unternehmer mit Monopolistenkomplex. House of Cards-Star Campbell Scott verkörpert diesen roboterhaften CEO, der hoch in den Dolomiten wie ein Bond-Bösewicht neueren Zuschnitts über seine Firma waltet.

Der "Giga" und Goldblum

Es ist nicht das einzige Zeichen dafür, dass Dominion wahllos Motive eingemeinden will, nur um besonders triftig und groß zu erscheinen: Von Hitchcocks Die Vögel bis Indiana Jones sind Spurenreste vorhanden. Mit dem Giganotosaurus (kurz "Giga") findet sich auch das entsprechende Echsenmonstrum ein, das Trevorrow im Vorfeld als den "Joker" unter den Dinos bezeichnet hat. Dieser Alb erfüllt sich jedoch nicht wirklich. Jeff Goldblum, der seinen Auftritt so lässig wie zwischen zwei Jazzkonzerten absolviert, zeigt hingegen lakonisch, dass weniger Aufwand oft besser funktioniert. (Dominik Kamalzadeh, 8.6.2022)