In Thomas Perles "Karpatenflecken" erzählen drei Frauen aus drei Generationen (im Bild: Judith Hofmann).

Schauspielhaus Graz

Das Theater hat marketingtechnisch dazugelernt und bezirzt das Publikum heutzutage mit vielversprechenden Titeln. Beim heute in Graz startenden Dramatiker:innenfestival anzutreffen sind beispielsweise Emotionen normaler Menschen, ein Theater-Mockumentary der Gruppe schöner scheitern über die Identitätskrisen der Geschlechter.

Oder Zitronen Zitronen Zitronen, ein Stück von Sam Steiner über die Auswirkungen reglementierten Sprachgebrauchs. Auch signifikante Einworttitel stehen hoch im Kurs, etwa Mopedmonolog von Paulus Hochgatterer, Nachtschattengewächse von Johannes Hoffmann oder Hirschfell von Anna Carlier. Thomas Köcks dramatisches Requiem für Fauna und Flora wiederum schränkt die Wirkmacht des eigenen Titels in diesem selber ein: Und alle Tiere rufen: Dieser Titel rettet die Welt auch nicht mehr (Monkey gone to heaven).

Ältere Frauen

Auch A Sekretär of one’s own klingt verlockend, ist aber kein Theater, sondern ein Austauschort sowie ein Archiv für alle schreibenden und lesenden Frauen, denen beim diesjährigen sechsten internationalen Dramatiker:innenfestival besondere Aufmerksamkeit zuteilwird.

Etwa gleich am Beginn mit einer Diskussionsveranstaltung über die Sichtbarkeit älterer Frauen am Theater, Der Besuch der alten Damen, oder in der Intervention In her* words, die das Wiedererstarken patriarchaler Strukturen infolge eines nahen Krieges thematisiert. Die weiteren Themen des Spielplans behandeln Klima- und Migrationsfragen.

Formal außergewöhnlich

Das Dramatiker:innenfestival kooperiert mit diversen Partnern, vor allem dem Schauspielhaus Graz, wo viele der Stücke zu sehen sein werden. Etwa auch Eleos. Eine Empörung in 36 Miniaturen von Caren Jeß.

Darin behandelt die vielgepriesene Autorin in kurzen Sequenzen das Ausrasten "hochzivilisierter Individuen". Einer der Höhepunkte ist das Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin mit Karpatenflecken von Thomas Perle. Das durch die Pandemie vielfach verschobene Gewinnerstück des Retzhofer Dramapreises 2019 feiert hier in der Regie von András Dömötör seine Österreichpremiere. Darin erzählen Frauen dreier Generationen vielsprachig von ihren deutsch-österreichisch-ungarisch-rumänischen Biografien – mit Judith Hofmann, Isabel Schosnig und Julia Windischbauer.

Formal außergewöhnlich ist wiederum das audiovisuelle Gedicht Finstergewächs der Gruppe Spitzwegerich, in dem surreale Bildwelten zu Noise und Musik ineinandergreifen. (Margarete Affenzeller, 8.6.2022)