Vom regnerischen Berlin ging es für Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck ins sonnige Israel, in die Palästinensergebiete und nach Jordanien. Dort erwarten ihn aber durchaus unerquickliche Themen.

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Dass ein Krieg eine Energiekrise hervorbringen kann und eine Energiekrise einen Krieg, wissen die Menschen im Nahen Osten seit langem aus eigener Erfahrung. Nun könnten Israel und Ägypten den Deutschen unter die Arme greifen, wenn es darum geht, sich von der Abhängigkeit vom russischen Erdgas zu befreien.

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck ist derzeit im Nahen Osten unterwegs, um mögliche Kooperationen im Energiebereich auszuloten. Dabei geht es nicht nur um neue Technologien im Klimaschutz und bei der Nutzung erneuerbarer Energien, sondern ganz konkret auch um Erdgaslieferungen aus israelischer Förderung.

Chance für Israel

Israels Leviatan-Gasfeld bringt derzeit rund zwölf Milliarden Kubikmeter Erdgas an Jahresertrag, wobei Israel den größten Teil davon für den heimischen Markt nutzt. In Europas verzweifelter Suche nach neuen Gasquellen sieht Israel nun eine Chance für lukrative Exportbeziehungen. Keine Rede mehr von dem Plan, der fossilen Wende zuliebe keine neuen Gasfelder zu erschließen. "Der Ukraine-Krieg hat die Karten neu gemischt", sagt Energieministerin Karine Elharrar.

Israel arbeitet nun daran, die Kapazitäten in den nächsten Jahren zu verdoppeln. Um das Erdgas nach Europa zu transportieren, ist man aber auf Ägypten angewiesen. Das Land verfügt über Verflüssigungsterminals, die es möglich machen, das Gas nach Europa zu verschiffen. Entsprechende Vereinbarungen zwischen Kairo und Jerusalem gibt es bereits. "Kurzfristig hilft uns das sicher", sagte Habeck nach einem Gespräch mit dem israelischen Premierminister Naftali Bennett am Montag.

Wobei es kurzfristig nur bei kleinen Mengen bleiben wird, weil für größere Lieferungen derzeit noch die Infrastruktur fehlt, sagt die israelische Gasmarktexpertin Gina Cohen im STANDARD-Gespräch. Ab dem Moment, in dem Israel definitiv grünes Licht aus Europa für Gaslieferungen bekommt, müsse man mit "mindestens drei bis vier Jahren" rechnen, bis eine neue Pipeline nach Ägypten in Betrieb genommen werden kann. Alternative Routen könnten über die Türkei oder über Zypern führen, doch auch hier handle es sich um längerfristige Szenarien.

Habeck machte aber klar, dass er nur für kurz- und mittelfristige Kooperationen im Gasbereich zur Verfügung steht. Große Projekte, die das Gas erst in zehn Jahren zugänglich machen, "sind für uns überflüssig, weil wir da ja schon rauswollen aus Gas", verweist Habeck auf die Pariser Klimaziele.

Netzwerke für erneuerbare Energien

Dem deutschen Energieminister geht es aber nicht nur um die Überwindung der akuten europäischen Energieengpässe beim Verzicht auf russisches Gas. Habeck ist im Nahen Osten auf klimadiplomatischer Mission.

In der verstärkten Kooperation Israels mit Ägypten, Jordanien und anderen arabischen Staaten sieht er Möglichkeiten, diese Netzwerke auch für gemeinsame Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien zu nutzen. Daraus könnten dann wiederum Verflechtungen entstehen, die auch die politischen Spannungen in der Region zu entkrampfen helfen.

Diese Spannungen drohen derzeit eher zu- als abzunehmen. Der Krieg in der Ukraine stürzt den Nahen Osten in eine massive Getreidekrise, die sich zur Hungerkrise auszuwachsen droht. In politisch instabilen Gebieten wie dem Libanon, den Palästinensergebieten und Jordanien könne eine solche Krise schnell in Gewalt umschlagen, sagte Habeck nach einem Treffen mit dem israelischen Außenminister Jair Lapid, "mit dem ich diese Sorge teile".

Mögliche Vorzeichen sind schon jetzt spürbar: Im Westjordanland, das am Dienstag auf Habecks Reiseplan stand, gehen seit Tagen Menschen auf die Straße, um gegen hohe Lebensmittelpreise zu demonstrieren. "Da müssen auch Deutschland und Europa etwas tun", sagt der Vizekanzler – konkret bedeutet das: Weizenlieferungen nach Nahost.

Zukunftspläne mit dem Nachbarn

Im Nahen Osten könne man besonders gut beobachten, "wie sehr Sicherheitspolitik und Klimapolitik zusammengeführt werden müssen", sagte Habeck. Nun gibt es auch mit dem ehemaligen Feindesland Jordanien, mit dem sich Israel in einem angespannten Dauerzustand befindet, neue Zukunftspläne. So haben die beiden Staaten Vereinbarungen zur gemeinsamen Wasseraufbereitung geschlossen. Das nutzbare Wasser soll dann sowohl in Israel als auch in Jordanien verteilt werden.

Mit der israelischen Regierungsspitze einigte sich Habeck darauf, dass die beiden Länder im Bereich der erneuerbaren Energie stärker zusammenarbeiten. Auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft und hier vor allem bei der Rohstoffrückgewinnung "ergänzen wir einander gut". In diesen Kooperationen könnten deutsche Unternehmen sich neue Absatzmärkte erschließen.

Auf der letzten Station seiner Reise, der Teilnahme an einer Energiekonferenz in Jordanien am Mittwoch, sollen Gespräche über neue Technologien zur Energiegewinnung und -speicherung geführt werden.

Verständnis für Pragmatismus

Das sensible Thema der gespannten Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern habe er in seinem Treffen mit der Regierungsspitze angesprochen, sagt Habeck. Nicht bei allem war man sich einig. Der Vizekanzler äußerte aber Verständnis für den "Pragmatismus" der israelischen Regierung, die sich angesichts der koalitionsinternen Differenzen darauf beschränkt, weniger umstrittene Maßnahmen zu setzen – wie etwa die Öffnung des israelischen Arbeitsmarktes für zusätzliche Arbeitskräfte aus den Palästinensergebieten. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 7.6.2022)