Boomendes Geschäft: Die Zahl der "Green Jobs" wird in den kommenden Jahren laut Experten weiter zunehmen.

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Es ist vermutlich nicht verwegen, zu behaupten, dass in Österreich niemand den Ort Sigmundsherberg in Niederösterreich mit Innovation und Hochtechnologie in Verbindung bringt. Etwas weniger als 2.000 Menschen leben in der Gemeinde im Waldviertel, die gut eineinhalb Autostunden von Wien entfernt liegt. Fast zwei Drittel des Dorfes besteht laut Statistik Austria aus landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Doch in dem Dorf will das Arbeitsmarktservice Niederösterreich in den kommenden Monaten ein millionenschweres Investitionsprojekt umsetzen, um künftig dringend benötigte Arbeitskräfte ausbilden zu lassen. Das AMS will nach eigenen Angaben in Sigmundsherberg das erste "Klimaschutz-Ausbildungszentrum" in Europa errichten lassen.

Konkret werden 6,4 Millionen Euro vom AMS in Niederösterreich investiert, um ein bestehendes AMS-Zentrum auszubauen. Ab Herbst 2023 sollen hier pro Jahr gut 400 Arbeitslose ausgebildet oder weiterqualifiziert werden, und zwar in Gebäudetechnik und Elektromobilität, um Photovoltaikanlagen errichten zu können. Dazu kommen Lehrlingsausbildungen in der Metall-, Elektro-, Gas- Sanitär und Lüftungstechnik. Als Unterstützer mit an Bord ist auch der Energieanbieter EVN, der Praktikumsplätze zur Verfügung stellen will.

Wie der Leiter des AMS Niederösterreich, Sven Hergovich, bei der Präsentation des Projekts am Montag ausführte, soll allen Qualifizierungsmaßnahmen gemein sein, dass es einen Klimaschutzschwerpunkt gibt. Beginnen soll das damit, dass bei sämtlichen AMS-Kursen ein Energieführerschein gemacht werden wird, also eine Kurzausbildung, bei der Wissen über Energiesparen und Klimaschutz vermittelt wird. Daneben soll es in jedem Bereich Klimaausbildungsmodule geben. Das Ausbildungszentrum soll Jobsuchenden aus ganz Österreich offenstehen.

Warum im Waldviertel?

Warum aber ausgerechnet ein solches Projekt im Waldviertel? Weil damit ein Beitrag zur regionalen Entwicklung geleistet werden soll. Werden sich genügend Interessierte finden? AMS-Chef Hergovich ist davon überzeugt.

Allein in Niederösterreich kämen in den Bereichen Energietechnik und Umwelttechnologie auf jeden offenen Arbeitsplatz aktuell im Schnitt nur noch 0,7 Arbeitsuchende. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften dürfte sich weiter verschärfen. EVN-Chef Stefan Szyszkowitz berichtete bei der Projektpräsentation davon, dass die EVN im Jahr 2022 keine Termine für den Anschluss von Photovoltaikanlagen mehr vergibt, weil Partnerbetrieben angesichts der hohen Nachfrage Fachkräfte für die Montage und das nötige Material fehlten.

Im Trend liegt das AMS-Projekt jedenfalls. Experten gehen davon aus, dass bei den Bemühungen, in Österreich bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen, langfristig netto neue Jobs entstehen werden und es zusätzlich zu Verschiebung kommen wird. Vor allem im Bereich der Gebäudesanierung und im Ausbau erneuerbarer Energien werden zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht werden, zeigt eine Untersuchung der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) aus dem Jahr 2000. Dafür werden im Verkehrssektor und in der Herstellung von Metallwaren aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen Arbeitsplätze verloren gehen. Alles in allem dürfte also der Bedarf an Ausbildungen für Green Jobs steigen.

Wer macht die Umschulung?

Ob es unter den Arbeitslosen gelingen wird, Menschen zu einer Umschulung zu bewegen, ist dennoch nicht sicher. Während ihrer Ausbildung beim AMS bekommen Jobsuchende im Regelfall nur ihr Arbeitslosengeld, etwa 55 bis 60 Prozent von ihrem Nettogehalt. Dazu gibt es noch einen Bildungsbonus von vier Euro am Tag. Das bedeutet allerdings, dass oft schon ein Hilfsarbeiter in der Industrie mehr verdient. Hinzu kommt, dass beim AMS der Pool an jenen Menschen, die für Weiterqualifikation infrage kommen, begrenzt ist. Es gilt der Grundsatz: Vermittlung vor Ausbildung. Sprich: In Bereichen, wo viele Arbeitskräfte gesucht werden, haben Jobsuchende schlechte Karten, einen Ausbildungsplatz vom AMS finanziert zu bekommen.

Das AMS weiß um solche Herausforderungen und will deshalb das Angebot in Sigmundsherberg attraktiv machen. So soll für 37 Teilnehmer eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit vor Ort angeboten werden. Wer unter der Woche für den Kurs vor Ort bleibt, bekommt Essen kostenlos, An- und Abfahrt zahlt das AMS.

Das AMS will die Hälfte der Förderplätze im neuen Zentrum, das vom BFI betrieben wird, an Frauen vergeben. (András Szigetvari, 8.6.2022)