Mit Ende Juni tritt Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern ab.

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Es ist eine Entwicklung, die bereits seit Jahren im Gange ist. Immer stärker bringt sich die Politik wieder bei (teil-)staatlichen Unternehmen als aktiver Eigentümer ein. Mehr privat, weniger Staat, das war einmal.

Diese neue Zugangsweise dürfte mit ein Grund dafür sein, dass nun ein Schwergewicht der österreichischen Verstaatlichtenholding Öbag abtritt: Helmut Kern, Aufsichtsratschef der Öbag (die etwa die Beteiligungen der Republik an Post, OMV und Telekom Austria kontrolliert), tritt mit Ende der Hauptversammlung am 29. Juni zurück.

Angetreten unter Hartwig Löger

Kern trat seine Funktion 2019 an, unter ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger. Zuvor fungierte er als Gesamtleiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Wien und als stellvertretender Vorsitzender des Universitätsrats der Universität Wien.

Der nunmehrige Rücktritt erfolgt "im Einvernehmen mit Finanzminister Magnus Brunner" (ÖVP), gab die Öbag per Presseaussendung bekannt. Zuletzt jedoch unterschieden sich – Insidern zufolge – durchaus die Herangehensweisen des Ministers und seines Aufsichtsratschefs: Brunner habe sich ein aktiveres Management des milliardenschweren Beteiligungskonglomerats gewünscht als Kern. Dies passt in ein Muster: Bereits vor einigen Jahren propagierte die ÖVP die Gründung eines "Österreich-Fonds", in dessen Rahmen Beteiligungen an strategisch wichtigen Unternehmen aufgebaut und die Gewinne daraus der Republik zugeleitet werden. Zugleich wurde der Zweck der Öbag neu formuliert: Nicht nur die Verwaltung von Beteiligungen sei das Ziel, auch Zukäufe seien erwünscht.

Mehr als nur die Ausrichtung

Doch hinter Kerns Rückzug stecken nicht nur strategische Ausrichtungsfragen. Auch abseits davon häuften sich in der Ära des scheidenden Aufsichtsratschefs die Skandale. Einzig am Anfang gab es eine Erfolgsmeldung: Die GmbH Öbib verwandelte sich 2019 in die Aktiengesellschaft Öbag. Danach jedoch poppte die Affäre Thomas Schmid auf, jenes (von Kern unterstützten) Öbag-Alleinvorstandes, der die mächtige Funktion seinem Kontakt zu Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verdankte – und dessen fragwürdige Chats heute Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und parlamentarischer U-Ausschüsse sind. Es gilt die Unschuldsvermutung.

In die Ära Kern fällt auch die Suche nach einer Nachfolgerin von Schmid, nachdem dieser vor einem Jahr schließlich unfreiwillig abgetreten war. Es wurde die Rechtsanwältin Edith Hlawati – und erneut gab es Kritik. Die Kandidatensuche sei erneut "im stillen Kämmerlein" erfolgt, kritisieren etwa die Neos – als hätte man aus der desaströsen Causa Schmid nichts gelernt. Die Neos fordern die Wiedereinführung eines Doppelvorstands, wie es ihn an der Spitze der Verstaatlichtenholding schon einmal gab.

Nachfolger noch im Juni

Intransparenz, Skandale, eine schleichende Neuausrichtung – all dies dürfte zum Abgang Kerns beigetragen haben. Er selbst sagt nichts zu den Gründen für seinen Rückzug; auch über mögliche Nachfolger wurde bislang nichts kommuniziert. Ein Nachfolger werde vom Finanzministerium bis zur Hauptversammlung vorgeschlagen, hieß es lediglich. Gerüchten zufolge dürfte Günther Ofner gute Chancen auf den Job haben, derzeit Vorstand der Flughafen AG. Ein wohl nicht unwesentlicher Pluspunkt Ofners: Er gehört der ÖVP an. (Joseph Gepp, 7.6.2022)