Wien Energie will die Preise für Fernwärme ab Herbst deutlich anheben.

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Schlechte Nachrichten für alle Haushalte, die in Wien an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind: Der städtische Energieversorger Wien Energie will die Preise für den Bezug von Fernwärme ab Herbst fast verdoppeln. Die Preiserhöhung wurde dem STANDARD von Wien Energie bestätigt, auch dass der Antrag auf 92 Prozent lautet. Schließlich hat auch die für Rechtsangelegenheiten zuständige MA 62 noch ein Wörtchen mitzureden. Preiserhöhungen müssen beantragt werden, ein Verfahren vor der Preiskommission ist Pflicht.

Überraschend kommt die Verteuerung der Fernwärme nicht, der Zeitpunkt ist allerdings mehr als heikel. Rund 440.000 Haushalte sind in Wien an das Fernwärmenetz angeschlossen, es ist eines der größten zusammenhängenden Netze in Europa und soll weiter stark ausgebaut werden. Gerade im Zusammenhang mit dem angedachten vorzeitigen Ende des Einbaus von Gasthermen in Neubauten, das jüngsten Überlegungen zufolge österreichweit bereits kommendes Jahr wirksam werden soll, ist das Ausmaß der Erhöhung kein besonders gutes Signal. Zumal Haushalte, die ihre Wohnungen mittels Fernwärme heizen, dann auch keine Alternative haben, zu einem anderen, möglicherweise günstiger anbietenden Mitbewerber zu wechseln. Den gibt es dann schlicht nicht mehr.

Preise zuletzt 2016 angehoben

Andererseits hat Wien Energie den Preis für Fernwärme zuletzt 2016 angehoben, damals freilich in viel geringerem Ausmaß. In den vergangenen sechs Jahren, insbesondere aber in den vergangenen sechs Monaten hat sich aber geopolitisch und preislich sehr viel getan. Bereits vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine haben die Gaspreise nach oben ausgeschlagen – Folge der starken Konjunkturerholung nach dem Corona-bedingten Einbruch der Wirtschaft in weiten Teilen der Welt. Nach dem Start des russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland sind die Gaspreise nochmals nach oben geschnalzt und waren zeitweise sechsmal so hoch wie noch vor einem Jahr. Was hat aber die Fernwärme mit Gas am Hut?

Gas auch zur Herstellung von Fernwärme

Zur Herstellung von Fernwärme werden in den Anlagen in Wien nicht nur Müll und Biomasse verbrannt beziehungsweise industrielle Abwärme mitgenutzt und in Zukunft wohl auch Geothermie; es muss auch Gas eingesetzt werden, um die notwendigen Mengen zusammenzubringen. In der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und in den Heizwerken, die mit Gas laufen, werden rund 60 Prozent, fallweise sogar 65 Prozent der Wiener Fernwärme erzeugt. Das ist neben gestiegenen Personal- und Logistikkosten der Hauptgrund dafür, dass die Preise auch für Fernwärme jetzt so steigen.

Geht der Preisantrag in der geforderten Höhe durch, nämlich die Anhebung um 92 Prozent, bedeutet das für einen durchschnittlichen Wiener Haushalt Mehrkosten von etwa 45 Euro im Monat. Bei der Preiserhöhung vor sechs Jahren verteuerte sich die Fernwärmerechnung eines durchschnittlichen Wiener Haushalts um rund zwölf Prozent. Insgesamt wurde in den vergangenen 25 Jahren der Preis für die Fernwärme im Preisbescheid laut Wien Energie insgesamt viermal angepasst.

Wien Energie kein Gewinner der hohen Energiepreise

Anders als etwa Verbund oder EVN profitiert Wien Energie derzeit nicht von den hohen Strom- und Gaspreisen – im Gegenteil. Wegen der vergleichsweise geringen Eigenerzeugung, was Wasserkraft oder neue erneuerbare Energien wie Wind und Sonne betrifft, muss Wien Energie Strom und vor allem auch Gas zum Betrieb diverser Kraftwerke teuer zukaufen.

Die Gaspreise in Wien wurden mit EVN und Energie Burgenland, die sich gemeinsam in der Energie Allianz zusammengefunden haben, übrigens schon per 1. Februar angehoben. Betroffen waren die Standardtarife. Ein Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 8.000 kWh zahlt seitdem rund elf Euro monatlich mehr für Gas.

Empörte Reaktionen

Mit Empörung reagierte die Arbeiterkammer (AK). Fernwärme werde überproportional häufig von einkommensschwachen Haushalten genutzt. Mit der Erhöhung drohe vielen Menschen nun der endgültige Absturz in die Armut, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl am Mittwoch. Gefordert sei nun eine Ausgleichszahlung für betroffene Haushalte.

Die Wiener Grünen pochen auf eine Abschöpfung beziehungsweise eine Umverteilung der Gewinne von Wien Energie. "Wir müssen jetzt die Gewinne der Wien Energie an die Bevölkerung weitergeben, anstatt sie mit einer Verdopplung der Preise noch weiter zu belasten", erklärte Landesparteivorsitzende Judith Pühringer.

In ein ähnliches Horn stieß der stellvertretende Bundesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft, Reinhard Langthaler. Schon jetzt kämen viele Menschen nicht mehr mit ihrem Geld aus, die Erhöhung mache es noch schlimmer. Langthaler appellierte an die Wiener Wirtschaftskammer, sich in der Kommission gegen die Preissteigerung zu stemmen.

Für ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner liegt die Verantwortung bei der rot-pinken Stadtregierung. "Der Wiener Weg bedeutet massive Mehrbelastung für die Wiener Bevölkerung." Da die Fernwärme zu den Wiener Stadtwerken gehöre und sich damit im Eigentum der Stadt befinde, könne Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Verantwortung auch nicht abschieben, meinte sie. (Günther Strobl, APA, 8.6.2022)