In Kärnten fängt Schabus eine spektakuläre Szene ein: Bei einem Almauftrieb stürzt eine Kuh ab.

Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH

In Garmisch-Partenkirchen ist die durchschnittliche Temperatur in den vergangenen Jahren von 6,4 auf 8,2 Grad gestiegen. Das lässt sich umrechnen auf die Schneegrenze. Der bayerische Skiort ist gewissermaßen um 200 Meter ins Tal gerutscht. Das lässt sich technisch nicht korrigieren, aber zudecken. Die Touristen bekommen künstlichen Schnee. Im Sommer sehen die Schneekanonen wie Fremdkörper aus, im Winter auch, aber da bledert man an ihnen vorbei.

Für Robert Schabus sind diese Maschinen ein Symbol, an dem er in seinem Film Alpenland nichts festmachen muss, weil er seine Beobachtungen bewusst in der Schwebe hält. Er hat verschiedene Orte in den Alpen aufgesucht, nicht nur in Österreich, wo er im Kärntner Mölltal beginnt. "Grüß Gott, tritt ein, bring Glück herein", dieser Spruch steht wie ein Vorspann über dem Zugang zum Film, und über einem Wirtshauszimmer, das sich mit seiner Holzeinrichtung traditionell gibt.

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In den Bergen haben sich die Traditionen länger gehalten als in der Stadt, das wäre die Suggestion. Nicht erst seit Ischgl glaubt das niemand mehr, aber Alpenland gibt sich zurückhaltend mit seiner Zivilisationskritik. In Kärnten fängt Schabus eine spektakuläre Szene ein. Bei einem Almauftrieb stürzt eine Kuh ab. Der Bauer versucht noch, den Betrieb aufrechtzuerhalten, er weiß aber, dass die Perspektiven nicht gut sind. Im französischen Meribel steht eine Arztpraxis vor der Schließung. In Premana in der Lombardei dagegen halten sich hartnäckig einige Mittelbetriebe, die auf den Traditionen des Erzbergbaus beruhen und die sich untereinander so gut wie möglich unterstützen.

LKW voller Plastik

Das Dorf liegt exponiert und weit weg von den Weltmärkten, mit Zusammenhalt kann man aber etwas schaffen. Schabus sucht immer wieder Distanzbilder, die einen größeren Kontext erkennen lassen und die auch dem Natureindruck der Berge gerecht werden.

Sein Film ist auf eine gute Weise lakonisch, er legt Spuren aus, die zu einem neuen ökologischen Gleichgewicht führen könnten. Dann donnert aber ein Lastwagen, vollbeladen mit Plastikflaschen, durch das piemontesische Valle Stura, und man denkt sich, es ist ohnehin alles egal. In diesen Momenten spürt man vielleicht ein bisschen, dass Alpenland im Hause Nikolaus Geyrhalter entstanden ist, dessen Firma als Produzentin auftrat. In Garmisch-Partenkirchen hat sich das "Betongold" vollständig durchgesetzt, 200 Sozialwohnungen wurden verkauft, Eigentumswohnungen für 10.000 Euro pro Quadratmeter sichern künftige Generationen gegen Armut ab, nicht aber gegen das weitere Verrutschen der inneren Schneegrenze. (Bert Rebhandl, 8.6.2022)