Die Ungleichbehandlung der Community sei kein Phänomen der Vergangenheit, findet die Justizministerin.

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Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich – das hat sich in der Vergangenheit immer wieder dann gezeigt, wenn Minderheiten betroffen waren. Das Justizministerium will nun mit einem neuen Projekt die rechtlichen Ungleichbehandlungen der LGBTQ+-Community seit 1945 aufarbeiten. "Nur der die Geschichte kennt, kann auch aus der Geschichte lernen", sagte Justizministerin Alma Zadić bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Deswegen soll die Forschungsstelle QWien ein historisches Gutachten erstellen, das die Rechtslage nach dem Nationalsozialismus näher unter die Lupe nimmt.

Die Diskriminierung der Community sei allerdings kein Phänomen der Vergangenheit, findet die Justizministerin. Es habe bis zum neuen Jahrtausend gedauert, bis Benachteiligungen nicht mehr im Strafgesetzbuch zu finden waren. "Heuer müssen wir sehen, wie Gruppierungen aus dem rechten Rand massiv Stimmung gegen Veranstaltungen des Pride Month" machen, sagt Zadić. "Sie versuchen, Hass auf Minderheiten zu schüren." Umso wichtiger sei es, geschlossen aufzutreten. "Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist notwendig", sagt sie. Aus heutiger Sicht seien viele Gesetze damals menschenrechtswidrig gewesen.

Strafrechtliche Verfolgung

Als Beispiel nennt Hannes Sulzenbacher von QWien die Aufrechterhaltung von Gesetzen nach Ende des Nationalsozialismus, die sexuellen Kontakt zwischen homosexuellen Personen als "Unzucht wider der Natur" unter Strafe stellten. Das änderte erst eine Reform 1971 – die aber weitere Diskriminierungen mit sich brachte: So wurden etwa männliche Prostitution und "Werbung für Unzucht" verboten. Diese Gesetze wurden letztlich 2002 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Der Wandel geschah in vielerlei Hinsicht vor allem aufgrund von internationalen Entwicklungen und als Folge des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union.

"Obwohl sich in den letzten 20 Jahren die Einstellung zu Homosexualität und Geschlechteridentitäten wesentlich geändert hat", sei noch keine hundertprozentige Gleichstellung erreicht, sagt Michael Schwanda, Präsident des Oberlandesgerichts Graz. Ein Teil dieser Gleichstellung sei es auch, wenn das offizielle Österreich sich zu Fehlern aus der Vergangenheit bekennt.

Fertigstellung innerhalb eines Jahres

Das Gutachten soll im Sommer des kommenden Jahres fertiggestellt werden. Das Ziel soll einerseits sein, die Geschehnisse nach 1945 analytisch aufzuarbeiten, andererseits sollen sich aus dem Papier Handlungsempfehlungen für die Politik ableiten lassen. Der Fokus liege dabei auf Bereiche, die das Justizministerium direkt betrafen. (muz, 8.6.2022)