Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) denkt laut über Asylzentren in Drittstaaten nach.

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Der jüngste Vorschlag von Innenminister Gerhard Karner, in Drittstaaten Asylzentren einzurichten, in denen geprüft werden soll, ob Flüchtlinge die Voraussetzungen für einen Asylstatus erfüllen – oder sie sogar dort auf Dauer untergebracht werden sollen –, ist nicht neu. Seit 20 Jahren geistert unter anderem die sogenannte pazifische Lösung durch die heimische Innenpolitik. ÖVP und FPÖ nennen gerne Australien als Vorbild, das Asylsuchende auf Inseln im Pazifischen Ozean interniert. Auch nordafrikanische Staaten waren immer wieder als Partner für Asylzentren im Gespräch.

Großbritannien und Ruanda

Neu ist, dass es inzwischen tatsächlich europäische Länder gibt, die entsprechende gesetzliche Regelungen haben, wie etwa Großbritanniens Abkommen mit Ruanda, das aber höchst umstritten ist. Dänemark hat zumindest die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, Asylsuchende für die Dauer ihres Asylverfahrens in andere Länder zu transportieren, ein Partnerland haben die Dänen aber noch nicht. Der frühere Versuch Dänemarks, dem UNHCR die Verteilung von Asylsuchenden auf andere Staaten zu überlassen, ist gescheitert.

Genfer Flüchtlingskonvention

Innenminister Karner kann sich aber jetzt zumindest auf europäische Vorbilder berufen. Befürworter eines harten Asylkurses zitieren auch gerne die Genfer Flüchtlingskonvention, in der es heißt, dass die Flüchtlingsaufnahme für einzelne Staaten ein großes Problem sein kann und internationale Kooperation geboten ist.

Daraus ergeben sich zwei grundlegende Fragen: Stellen Asylsuchende ein nicht mehr zu lösendes Problem für Österreich dar? Nein. Gerade die gut koordinierte Hilfe für Kriegsvertriebene aus der Ukraine beweist, dass Österreich in der Lage ist, seiner Verpflichtung nachzukommen, Menschen in Not Schutz zu gewähren.

Mogelpackung

Dass abgesehen von Ukraine-Flüchtlingen die Zahl der Asylanträge in die Höhe schnellt, ist außerdem eine Mogelpackung, weil die niedrigen Zahlen aus den beiden vergangenen Pandemiejahren nicht für einen seriösen Vergleich geeignet sind.

Ein klares Ja ist die Antwort auf die zweite Frage, ob es bei der Hilfe für Asylsuchende mehr internationale Kooperation geben muss. Seit Jahren kann sich die EU nicht auf einen einheitlichen Asylkurs einigen. Vor allem das konservative Lager lehnt eine Quotenregelung ab. Warum auch Innenminister Karner bei diesem Nein bleibt, ist eigentlich ein Rätsel, denn Österreich gehört nicht zu den Ländern, die einen massiven Anstieg von Asylberechtigten zu erwarten hätten.

Stärke der EU

Doch auch auf gesamteuropäischer Ebene sind die Hilfe für ukrainische Kriegsflüchtlinge und die massive finanzielle Unterstützung aus Brüssel für die Bewältigung der Krise ein Zeichen dafür, dass die Solidarität lebt. Das ist die Stärke der Europäischen Union. Dass die ÖVP gerade jetzt (wieder einmal) eine Asyldebatte vom Zaun bricht, deutet hingegen eher darauf hin, dass von Schwächen abgelenkt werden soll. (Michael Simoner, 8.6.2022)