Am Anfang stand eine Beschwerde. Natürlich habe man in den freiheitlichen Gremiensitzungen über die Präsidentschaftswahl gesprochen, sagte der blaue Frontmann Herbert Kickl. am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Das sei schon allein deshalb vollkommen klar, da diese Wahl in absehbarer Zeit stattfinden müsse. Aber kein Verständnis hatte Kickl dafür, dass die Präsentation einer Kandidatur medial in Aussicht gestellt worden sei, obwohl dies von der Partei im Vorfeld der internen Besprechungen negiert wurde. Deshalb habe man auch keine Entscheidung verschoben, polterte Kickl. Die Hofburg-Wahl sei schlicht nicht auf der Tagesordnung gestanden.

Aber es sei kein Geheimnis, ja geradezu eine "patriotische Pflicht", führte Kickl aus, dass die Freiheitlichen das Duell mit dem amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen suchen würden. Dem "schläfrigen Systemkandidaten", hinter dem sich alles außer Blau vereinige, müsse ein "vitaler Vertreter der Bevölkerung" gegenüberstehen. Ein "Anwalt der eigenen Leute und der armen Teufel, die zum Beispiel in der Frage der Teuerung im Stich gelassen werden", wie es Kickl nannte. Für Menschenrechtsverletzungen würde sich Van der Bellen nur interessieren, wenn sie weit weg von Österreich passieren. Im eigenen Land interessiere ihn das "null Komma Josef", da gebe es kein Benefizkonzert.

Es brauche also eine Staatsrepräsentanz, die viel, viel näher an den Unannehmlichkeiten der Bevölkerung dran sei als an den Annehmlichkeiten der Macht, sagte Kickl. Und eine, die ehrlich ist. Das spricht der blaue Parteichef Van der Bellen zur Gänze ab.

Hat die geeignete Kandidatin oder den geeigneten Kandidaten wohl noch nicht gefunden: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
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Die Zeit sei aber noch nicht reif, eine Kandidatin oder einen Kandidaten ins Rennen zu schicken. "Es geht nicht darum, als Erster am Spielfeld zu sein, sondern darum, am Ende die Nase vorne zu haben – die Letzten werden die Ersten sein", sagte Kickl. Man wolle an der Seitenlinie beobachten, wer noch in das Duell um die Hofburg einsteigt. Der ehemalige BZÖ-Politiker Gerald Grosz beispielsweise will seinen Antritt noch im Juni verkünden. Eine wesentliche Rolle für die Präsentation der freiheitlichen Kandidatur spielt für Kickl obendrein der Wahltermin, der zu seinem Ärger noch nicht feststeht.

Kickl stellte, um anderslautende Gerüche zu entkräften, einmal mehr klar, dass er selbst nicht antreten wolle. Ein solcher Wahlkampf sei mit seinen Ämtern als Partei- und Klubchef schlicht nicht zu vereinbaren. "Wer Großes will, muss sich beschränken", fügte er an. Für ihn und die FPÖ gehe es im Moment viel mehr darum, die Umfragewerte auf 25 Prozent aufzubessern und die Machtverhältnisse in Österreich zu verändern.

"Krone"-Kolumnist als Kandidat?

Bis zuletzt galt Susanne Fürst für einige in der FPÖ als aussichtsreiche Kandidatin für die Hofburg-Wahl. Die blaue Verfassungssprecherin dürfte allerdings Konkurrenz bekommen haben. Die Boulevardzeitung Österreich brachte dafür Rechtsanwalt Tassilo Wallentin in Spiel. Wallentin schreibt jeden Sonntag eine Kolumne in der Kronen Zeitung und wurde schon im türkis-blauen Sideletter für einen vakanten Posten im Verfassungsgerichtshof auserkoren. Daraus wurde allerdings nichts.

Offiziell wird Wallentin als Hofburg-Kandidat von den Freiheitlichen vehement in Abrede gestellt. Kickl sprach gar von "Breaking Schmus" – wiewohl er aus Sicht des Parteichefs gute Kolumnen schreibe. Innerparteilich klingt die Geschichte etwas anders. Konkret habe Kickl bei der Gremiensitzungen am Dienstag erklärt, dass Gespräche mit einem externen Kandidaten geführt würden. Einen Namen habe Kickl zwar nicht genannt, aber manch einer dachte dabei sofort an Wallentin. Das sei auch in dem Wissen kommuniziert worden, dass das zeitnah an die Öffentlichkeit gelangen werde. Parteiintern ist man da und dort von der Abkehr des Plans überrascht, wonach man eigentlich einen "eigenen" Kandidaten aufstellen wollte. Laut seiner Kanzlei sei Wallentin vorerst nicht erreichbar. Die Antwort auf eine schriftliche Anfrage steht noch aus. (Jan Michael Marchart, 8.6.2022)