Auch die Opposition hat sich auf Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) eingeschossen.

Foto: Regine Hendrich

Es hätte eine Art Wohlfühltermin werden sollen. Mittwochvormittag wollten Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung, und der zuständige Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) eigentlich einen Einblick in den Ausbau der Fernkälteversorgung in Wien geben. Doch daraus wurde nichts. Der Pressetermin wurde noch am Vortag abgesagt. Krankheitsbedingt, wie es hieß. Kurz darauf wurde die geplante Erhöhung der Fernwärmetarife um satte 92 Prozent publik. Wohlgefühlt haben dürfte sich zu diesem Zeitpunkt niemand mehr.

Denn bereits Ende März, als die Möglichkeit einer Preisanhebung erstmals im Raum stand, war die Aufregung groß – wenn auch noch keine konkreten Summen bekannt waren. Die FPÖ sprach von "modernem Raubrittertum", die ÖVP von einem Drehen an der "Belastungsschraube", und die Grünen verstanden die Ankündigung gar als "gefährliche Drohung" von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Dieser übte sich damals in Gelassenheit. Ob es tatsächlich zu höheren Tarifen komme, sei offen, betonte er. Die Sache werde "in den nächsten Tagen" von Expertinnen und Experten entschieden.

Daraus wurden bekanntlich Wochen. In der SPÖ ist man nun wieder um Beruhigung bemüht. Die Preiskommission sei jetzt gefordert, abzuklären, "in welcher Dimension diese Erhöhung gerechtfertigt ist", teilte Stadtrat Hanke am Mittwoch mit. Ihm gehe es "in erster Linie darum, den Wienerinnen und Wienern zur Seite zu stehen". Das tue die Stadtregierung mit einem Notfallpaket über 125 Millionen Euro. Ab Juni bekommen Mindestsicherungs-, Arbeitslosengeld- und Wohnbeihilfebeziehende, einmalig und ohne einen Antrag stellen zu müssen, 200 Euro überwiesen, Alleinerziehende 100 Euro.

Ludwig selbst hielt sich vornehm zurück. Aus seinem Büro war keine Stellungnahme zu erhalten.

"Soziale Tiefkühltruhe"

Die Versuche, zu kalmieren, besänftigen augenscheinlich nicht einmal in den eigenen Reihen. Empört reagierte die Arbeiterkammer: Fernwärme werde überproportional häufig von einkommensschwachen Haushalten genutzt. Mit der Erhöhung drohe vielen Menschen nun der finale Absturz in die Armut, teilte AK-Präsidentin Renate Anderl mit.

Und die Opposition? Diese legte mit ihrer Kritik nach. Am deutlichsten wurde dabei der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp. Ludwig begehe gerade seinen nächsten Sündenfall, konstatierte er: "Der Wiener Bürgermeister ist eine soziale Tiefkühltruhe und treibt immer mehr Wiener in die Armut."

Karl Mahrer, Chef der Wiener ÖVP, nahm die Tariferhöhung zum Anlass für eine weitere Runde im Match Bund versus Stadt. Er warf der Wiener SPÖ vor, damit die Entlastungspakete des Bundes zu konterkarieren. ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner argumentierte, dass die Wien Energie über die Stadtwerke der Stadt gehöre und Ludwig die Verantwortung daher nicht abschieben könne.

Die Wiener Grünen pochten auf eine Abschöpfung der Gewinne der Wien Energie. "Wir müssen jetzt die Gewinne an die Bevölkerung weitergeben, anstatt sie mit einer Verdopplung der Preise noch weiter zu belasten", sagte Parteichefin Judith Pühringer. (Stefanie Rachbauer, 8.6.2022)