Der Wertverfall der NFTs ist nicht zu leugnen: Der günstigste Preis ("Floor price") für ein "Kuss"-Schnipsel liegt im 90-Tages-Schnitt derzeit bei 0,4 Ether oder umgerechnet 672,5 Euro.

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So redselig die Geschäftsleitung des Belvedere den Verkaufsstart des 10.000-teiligen digitalen Puzzles von Gustav Klimts Der Kuss am Valentinstag kommentierte, so zugeknöpft gibt man sich keine vier Monate später. Das erste Non-Fungible-Token-Projekt eines österreichischen Bundesmuseums läuft wohl anders als erhofft.

Darüber können auch die Einnahmen nicht hinwegtäuschen, die Anfang Mai mit insgesamt 4,4 Millionen Euro beziffert wurden. Ein Erlös, der auch den Zehn-Prozent-Anteil an Weiterverkäufen auf dem Sekundärmarkt inkludiert. Die Höhe der bisherigen Ausgaben, laufenden Spesen und noch anfallenden Kosten bleiben ein Geheimnis.

Ende Jänner wurden die "Kuss"-NFTs im Belvedere präsentiert.
Foto: Ouriel Morgensztern / Belvedere, Wien

Eine vom STANDARD übermittelte Anfrage, die auch rechtliche und ökologische Aspekte betraf, blieb unbeantwortet. "Bei einem Projekt, in dem wir im Wettbewerb stehen," wolle man " nicht in diesem Detaillierungsgrad veröffentlichen", heißt es lapidar. Diese mangelnde Transparenz wirft eine Reihe Fragen auf. Etwa auch, ob für ein Bundesmuseum jedes Mittel zur Generierung von Einnahmen in einem hoch spekulativen Marktsegment legitim sein darf und damit verbundene Risiken abgewogen wurden. Das Kuratorium und das Kulturstaatssekretariat erteilten ihren Segen.

Stagnierender Absatz

Ob sich das Projekt als Reinfall entpuppt, wird sich weisen. Fakt ist, der Absatz stagniert, und die Kuss-NFTs werden auf dem Marktplatz Opensea mittlerweile für einen Bruchteil des Ausgabepreises von 1.850 Euro oder 0,65 Ether gehandelt. Mehrere Medien, darunter das US-amerikanische Magazin Newsweek, berichteten über die maue Performance und den Wertverfall der NFTs. Zum Leidwesen von Käuferinnen und Käufern, die auf eine gewisse Werthaltigkeit vertraut hatten, die eine Marke "Belvedere" theoretisch suggeriert.

Der günstigste Preis eines Kuss-NFT liegt im 90-Tage-Durchschnitt bei derzeit 0,4 Ether oder umgerechnet 672,5 Euro. Über dem ursprünglichen Ausgabepreis wurden nur einige wenige attraktive Kuss-Schnipsel gehandelt. Die Ausgabe der Segmente erfolgt bekanntlich nach dem Zufallsprinzip. Ein Risiko, das die Investitionsfreude mindert. Dabei rührt Belvedere-Geschäftsführer Wolfgang Bergmann auf seiner Kiss-NFT-Roadshow eifrig die Werbetrommel: jüngst in Südkorea, bald in Amsterdam und New York.

Wolfgang Bergmann, der kaufmännische Leiter des Belvedere, rührt international die Werbetrommel für die NFTs.
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Avisiert werden dabei personalisierte Zusatzprodukte, beispielsweise Pantoffel oder Kaffeehäferln, die das erworbene NFT zieren; weiters ein "Ambassador"-Programm, bei dem im Namen des Belvedere um neue Käufer gekeilt werden soll. Der Elefant im Raum war hingegen bislang kein Thema: die Umweltbelastung dieses Geschäftsmodells. Allein das Minting der 10.000 NFTs verursachte rund 480.000 Kilowattstunden an Stromverbrauch und 334 Tonnen an CO2-Emissionen. Zur Kompensation hätte man zum Start etwa 2.800 Bäumchen pflanzen müssen. Dem Vernehmen nach will man künftig Projekte zur Neutralisierung finanzieren. Ob sich das am Ende alles noch rechnet? Ja, sagt Bergmann.

Zweierlei Auffassungen

Allerdings wurden zwischenzeitlich einige Ankäufe rückabgewickelt. Vorweg, ob Verbrauchern beim NFT-Kauf ein Rücktrittsrecht nach dem Fern- und Auswärtsgeschäftegesetz zukommt, darüber gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Ja, ist Arthur Stadler von der Kanzlei Stadler Völkel überzeugt, der sich eingehend mit dieser Frage beschäftigte und zu ihr publiziert hat.

Nein, meint Bernhard Hainz, dessen Kanzlei CMS das Belvedere beriet. Ohne in juristische Details zu gehen, eine Informations- und Aufklärungspflicht besteht. Der Haken: Das Belvedere und sein Geschäftspartner arteQ waren dieser bis 30. Mai nicht nachgekommen, wie sich im STANDARD-Gespräch herausstellte. Vor wenigen Tagen wurden die "Terms of Service" entsprechend ergänzt. Demnach besteht "kein gesetzliches Recht auf Rücktritt vom Vertrag". Von den bislang etwa 30 Anträgen auf Rückabwicklung, wurden "in wenigen Ausnahmefällen auf Kulanzbasis und ohne Präjudiz Stücke zurückgenommen", wie das Belvedere bestätigt. (Olga Kronsteiner, 9.6.2022)