Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden, der Weg dorthin ist weit.

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Straßburg – Das Ende für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2035 ist auf EU-Parlamentsebene beschlossen. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg dafür. Ab 2035 dürfen Produzenten demnach nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen, die keine Treibhausgase emittieren. Es muss allerdings noch mit den einzelnen EU-Staaten über den Entscheid verhandelt werden.

Ende des Monats wollen die EU-Staaten ihre Position zu dem Verbot für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos festlegen. D

ann müssen die beiden EU-Institutionen noch einen Kompromiss finden, damit es in Kraft treten kann. Deutschland hat sich schon zum Ausstiegsdatum 2035 bekannt.

Nicht der ganz große Wurf

Der erwartete große Wurf beim Klimaschutz wurde es dennoch nicht. Mehr als acht zentrale Eckpunkte des sogenannten Fit-for-55-Pakets sollten am Mittwoch im EU-Parlament abgestimmt werden. Doch wie so oft dominiert in der Klimapolitik der Konjunktiv. Ziel des Pakets ist es, klimaschädliche Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden.

Aber: Zwei Abstimmungsrunden hätten es werden sollen, in der angedachten Form scheiterte das Vorhaben jedoch rasch. Die Reform und Ausweitung des Emissionshandels (ETS) auf Gebäude und Verkehr wurde von den EU-Parlamentariern abgelehnt. Dabei hätte für den Ausstoß von CO2 gezahlt werden müssen. Das Gesetz wurde zurück an den Umweltausschuss verwiesen.

Dieses Scheitern hat zur Folge, dass auch die CO2-Grenzabgabe (CBAM) zurück in den Ausschuss geht – das eine Gesetz muss kohärent auf das andere abgestimmt sein. Waren von außerhalb der EU sollten mit einer Art Emissionszoll belegt werden, um die europäische Industrie vor Wettbewerbsnachteilen zu schützen und zu verhindern, dass die Produktion in Staaten mit laxeren Klimavorgaben verlagert wird. "Alle reden vom Klimanotstand, aber Konservative und Rechte haben die Einigung dermaßen verwässert, dass wir jetzt wertvolle Wochen und Monate verlieren", sagt Jakob Flossmann, Sprecher der SPÖ-Delegation im EU-Parlament.

Erwartbarer Ausgang

Dass die Parlamentarier gegen die Ausweitung des CO2-Emissionshandels gestimmt haben, überrascht Klimaökonom Stefan Schleicher nicht besonders: In den vergangenen Monaten hätten Spekulanten die Preisbewegungen am Markt weiter verstärkt – ein Effekt, der durch die Ausweitung des Systems wohl weiter zunehmen würde. "Das ist natürlich sehr unangenehm", sagt Schleicher. Als Alternative schlägt er weitere nationale CO2-Bepreisungsmodelle vor. "Sie müssen aber glaubwürdig sein", sagt der Experte mit Verweis auf Österreichs niedrigen – und nun wohl verschobenen – CO2-Preis.

Beschlüsse allein seien jedenfalls nicht ausreichend, wenn die Elemente nicht wirksam umgesetzt würden. Der CO2-Grenzausgleich, der zur Abstimmung stand, habe ohnehin seine Schönheitsfehler. So könnte sich die Implementierung als schwierig herausstellen: Wenn etwa eine Tonne Stahl aus China oder Indien an der EU-Außengrenze lande, wäre ein Ursprungsnachweis notwendig, um den CO2-Gehalt glaubwürdig festzuhalten. "Den zu schaffen ist eine heikle Sache", erklärt Schleicher. Wie lang es nun dauert, bis im Ausschuss ein neuer Vorschlag auf dem Tisch liegt, lässt sich nicht abschätzen.

Faktor Zeit

Der Prozess wird ordentlich zurückgeworfen. Fällt im EU-Parlament eine Entscheidung, müssen Gesetze noch mit Staaten verhandelt werden, bevor sie verabschiedet werden können. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität ist deswegen fürs Erste wieder ein Stück in die Ferne gerückt.

Ebenfalls noch ausständig ist die Endabstimmung zum Klimasozialfonds. Dieser zielt darauf ab, Privathaushalte und Kleinunternehmen beim Umstieg auf klimafreundliche Energieversorgung zu unterstützen. Lediglich beim Thema Luftfahrt und CO2-Zertifikate für die Industrie, die schneller auslaufen sollen, gab es in der ersten Runde eine Einigung. Es steht unter anderem noch eine Entscheidung zur Aufforstung und zum möglichen Zulassungsstopp für aus.

Reaktionen

Für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist das EU-Klimapaket genau das, was es jetzt brauche. "Ein Weg raus aus der Klimakrise und raus aus der Abhängigkeit von russischem Erdgas", sagte Gewessler Mittwochabend. Die gefällten Beschlüsse im EU-Parlament stimmen sie großteils zuversichtlich. "Denn eine Verwässerung des Maßnahmenpakets konnte bei den meisten Vorhaben abgewendet werden."

Die ÖVP zeigte sich hingegen enttäuscht. "Europa braucht den Verbrennungsmotor, und es hat überhaupt keinen Sinn, ihn zu verbieten, wenn wir ihn über 2035 hinaus weiterhin sinnvoll und klimaneutral verwenden können", sagte die ÖVP-Verkehrssprecherin im Europaparlament, Barbara Thaler. Sie plädiert dafür, nachhaltig hergestellte Bio-Treibstoffe und synthetische Treibstoffe als klimaneutral zu klassifizieren.

Für die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon bewies das EU-Parlament "gegen die lautstarke Opposition der Konservativen" Stärke. "Mit dem Ende des Verbrennungsmotors machen wir einen großen Schritt Richtung Klimaneutralität und für die Luftqualität."

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace freut sich über die Entscheidung des Parlaments. Es sei "endlich eine klare Richtung hin zu klimaverträglichem Straßenverkehr". Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht im Verbot die Voraussetzung dafür, dass die Treibhausgasemissionen des Verkehrs im nötigen Ausmaß reduziert werden. Für den ÖAMTC ist Elektromobilität ein wichtiger Baustein am Weg zur Klimaneutralität im Straßenverkehr. Es werde aber nicht reichen, lediglich auf die Technologie zu setzen, wenn die CO2-Ziele erreicht werden sollen. (Andreas Danzer, Nora Laufer, 8.6.2022)