Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) verhandeln über Maßnahmen gegen die Inflation

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Hektisch geht es dieser Tage zwischen dem ÖVP-geführten Finanzministerium und dem grünen Sozialministerium hin und her. Die Verhandlungen darüber, welche Entlastungsschritte gegen die Inflation gesetzt werden, befinden sich in der Zielgeraden. In einigen Tagen sollen sie abgeschlossen sein, wie der grüne Sozialminister Johannes Rauch bekanntgab, im Herbst die Reform schließlich in Kraft treten. Dem Vernehmen nach drängen die Grünen auf eine Indexierung von Sozialleistungen wie der Familienbeihilfe, was tendenziell ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen würde. Die ÖVP hingegen setzt auf eine (möglicherweise nur teilweise) Abschaffung der kalten Progression, wovon vor allem Arbeitnehmer und die Mittelschicht profitieren würden.

Wohin es gehen könnte, das zeigt ein gemeinsames Vorschlagspapier der großen Wirtschaftsforschungsinstitute Österreichs von Mittwochfrüh: des Wifo und des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien. Es kommt nicht oft vor, dass die beiden Einrichtungen zusammen etwas vorschlagen – das hat also durchaus Gewicht.

Ein Papier mit Gewicht

Zunächst – dass man etwas tun müsse, empfehlen die Institute dringend: "Für Haushalte mit niedrigem Einkommen und hoher fossiler Energieabhängigkeit wird es zunehmend schwieriger, die finanziellen Mehrbelastungen durch die Preissteigerungen bei notwendigen Gütern wie der Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln zu stemmen."

Aber was? Jedenfalls raten Wifo und IHS von einigen möglichen Entlastungsschritten entschieden ab. Das wären vor allem breit angelegte Maßnahmen wie Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel oder der Mineralölsteuer. Dies sei "sozial wenig treffsicher, und die budgetäre Belastung ist hoch", die niedrigere Mineralölsteuer sei überdies "ökologisch nicht nachhaltig".

Auch was die Verschiebungen der CO2-Abgabe von Juli auf Oktober betrifft – die einzige Maßnahme, von der die Öffentlichkeit bereits fix weiß, dass sie kommen wird –, geben sich die Institute eher skeptisch. Der CO2-Preis von 30 Euro je Tonne sei ohnehin nur "moderat"; zumindest von einer weiteren Verschiebung wird abgeraten.

Abschaffung der kalten Progression

Was aber soll man tun? "Die stark gestiegene Inflation macht die Behandlung der kalten Progression dringender", heißt es. Es geht also darum, dass man inflationsbedingt mehr Lohnsteuer zahlt, obwohl man hinsichtlich der Kaufkraft gar nicht mehr verdient als zuvor. Wifo und IHS wünschen sich "eine einmalige Anpassung aller Tarifgrenzen" von fünf Prozent.

Und weiter? Viel Fokus legen die Institute auf die "Anhebung existenzsichernder Sozialleistungen" wie Ausgleichszulage, Mindestsicherung, Sozialhilfe, Leistungen für geflüchtete Menschen und "Familienleistungen insbesondere für niedrige Einkommen". Diese sollten künftig aber nicht automatisch an die Inflation angepasst werden, sondern es sollten generell "Vorschläge entwickelt werden, wie das Sozialsystem gegenüber Inflationsschocks robuster gemacht werden kann". Weil eine derartige Ideenfindung angesichts der derzeitigen Dringlichkeit nicht angemessen ist, fordern Wifo und IHS dennoch eine Sofortmaßnahme: Aktuell und kurzfristig sollte auch unterjährig "eine Inflationsanpassung zur Absicherung der Kaufkraft der Sozialleistungen vorgenommen werden". (Joseph Gepp, 8.6.2022)