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Es ist das Comeback des Jahres, vielleicht sogar des Jahrzehnts. Noch vor wenigen Monaten spielte die Teuerung in öffentlichen Debatten kaum eine Rolle. Selbst unter Ökonominnen und Ökonomen wurde wenig zur Inflation publiziert. Die Preise waren seit den 80er-Jahren nur langsam gestiegen, wozu sich also damit beschäftigen? Das hat sich geändert: Seitdem die Menschen im Supermarkt die Preissprünge spüren, die Kosten für Gas, Strom und jetzt Fernwärme stark steigen, dominiert die Inflation den politischen Diskurs.

Die Inflation in den Griff zu bekommen ist Aufgabe der Europäischen Zentralbank.
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Die Regierung in Österreich wirkt angesichts der Entwicklung ratlos und zögerlich. Täglich kommen von Opposition, Gewerkschaft, Arbeitgebern und Thinktanks Vorschläge, was nun alles getan werden muss: kalte Progression abschaffen. Umsatzsteuer senken. Mineralölsteuer drücken. Und was tut die türkis-grüne Koalition? Sie schaut laut ihren Kritikern zu. Und tatsächlich: Ein Vergleich des Brüsseler Thinktanks Bruegel zeigt, dass viele EU-Länder bisher mehr Geld in die Hand genommen haben, um ihre Bürger zu entlasten.

Die Kritik ist dennoch überzogen. Zunächst ist die Ratlosigkeit der Politik verständlich, weil die Situation ja komplex ist. Die Inflation in den Griff zu bekommen ist Aufgabe der Europäischen Zentralbank. Die Politik kann kurzfristig wenig machen. Jahrzehntelange Versäumnisse lassen sich nicht sofort beseitigen: Die Abhängigkeit vom teuren Gas loszuwerden geht beispielsweise nicht von heute auf morgen. Die Regierung in Wien kann wenig tun, wenn Russland ukrainische Getreideexporte verhindert, was die Lebensmittelpreise treibt.

Große wirtschaftliche Herausforderung

Was die Politik tun kann, ist, Bürgern unter die Arme zu greifen. Aber auch das ist kein einfacher Punkt. Die Inflationskrise ist die erste große wirtschaftliche Herausforderung seit Jahrzehnten, bei der es nicht reichen wird, Geld nachzuwerfen. Wenn der Staat alle für die Teuerung kompensiert, so wie er das bei Corona getan hat, wird damit keine Knappheit beseitigt. Der Energiepreis würde nicht sinken. Es wäre noch mehr Geld für Konsum da, was die Inflation erst recht weitertreiben kann.

Wichtig ist es also, gezielt Maßnahmen zu setzen, eine Portion Zurückhaltung muss kein Fehler sein. Da schneidet Österreich nicht so schlecht ab. Vier Milliarden Euro an Entlastungen wurden schon fixiert. Die Hilfe bei den Heizkosten ist gut, hier gibt es eine soziale Staffelung. Einige Fehler wurden vermieden. Deutschland hat zum Beispiel die Energiesteuern auf Kraftstoffe pauschal gesenkt, während Österreich nur Pendler entlastet. Österreichs Modell ist besser für das Klima, weil hier zielgerichteter nur entlastet wird, wer aufs Auto schwer verzichten kann.

Richtig ist es dennoch, wenn die Regierung nun nachlegt und ein weiteres Paket schnürt. Und auch da klingt vieles vernünftig, was kommen dürfte, wie eine einmalige Anhebung der Sozialleistungen. Auch eine Verschiebung der CO2-Steuer um wenige Monate ist vertretbar. Auch die Kalte Progression nicht automatisch abzuschaffen, wohl aber regelmäßig auszugleichen macht Sinn, weil sich die Politik damit Spielräume offen hält.

Natürlich wurden auch Fehler gemacht. Dazu gehört, dass es kein gutes Argument gegen eine Sondersteuer gibt, um Extragewinne von Energiekonzernen abzuschöpfen. Mit diesem Geld ließe sich der Umstieg auf Erneuerbare finanzieren. Auch dort, wo der Staat Mietpreise beeinflussen kann, hätte er den Preisauftrieb deckeln sollen. Dennoch bleibt: Das Krisenmanagement der Koalition in diesem Punkt ist wohl besser als sein Ruf. (András Szigetvari, 9.6.2022)