In Paris stellen Frauen nur ein Drittel der Leihscooter-Nutzerschaft.

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E-Scooter sind in Wien und anderen Städten kaum mehr aus dem Straßenbild wegzudenken. Die Roller bereichern einerseits den Nahverkehr um ein recht flexibles und strombetriebenes Fortbewegungsmittel, stoßen aber andererseits wegen rücksichtsloser Gehsteigfahrer und Falschparker auch auf Widerstand.

Doch welche Menschen sind es eigentlich, die auf den elektrifizierten Stehrollern unterwegs sind? Einen Einblick in das "Nutzerprofil" gibt eine Untersuchung des schwedischen Verleihers Voi, der in zahlreichen deutschen Städten aktiv ist, von einem Engagement in Österreich bislang aber abgesehen hat.

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Der Bericht unter dem Titel "Shared E-Scooters and Gender Equity" (PDF) befasst sie sich vor allem mit der weiblichen Perspektive auf die neue Fortbewegungsoption. Denn bereits einleitend stellt man einen deutlichen Gender-Gap fest. Dazu zitiert man eine andere Untersuchung aus Paris, in der festgestellt wird, dass die Fahrer von Leihscootern zu zwei Dritteln (66 Prozent) männlich sind.

Dazu arbeitete man mit 499 online rekrutierten weiblichen Teilnehmern aus drei Fahrergruppen. 56 Teilnehmerinnen hatten noch überhaupt keine Erfahrung mit E-Scootern, 255 Frauen gehörten zu den "irregulären" Fahrerinnen, die bisher nur einmal oder wenige Male mit einem Leihscooter gefahren sind. Die dritte umfasste 188 Personen, die einmal monatlich bis täglich von einem Scooter Gebrauch machen. Die Teilnehmerinnen wurden in fünf Fokusgruppen – zweimal Nichtfahrerinnen, irreguläre Fahrerinnen, regelmäßige Fahrerinnen sowie eine gemischte Gruppe – via Videochat und Onlineumfragen befragt.

Schnell am Ziel, aber nicht immer praktisch

Zu den wesentlichen Erkenntnissen gehört, dass der Hauptgrund für die Verwendung von E-Scootern das schnelle Fortkommen von A nach B ist. 35 Prozent der Fahrerinnen gaben dies als einen der Vorteile an. Dem folgten die flexible Parkmöglichkeiten und damit verbundene Zeitersparnis gegenüber der Parkplatzsuche mit einem Auto (22 Prozent) sowie die Nutzung eines als umweltfreundlich wahrgenommenen Verkehrsmittels (19 Prozent). Elf Prozent betonten auch die einfache Verwendung. Einen Kostenvorteil konnten hingegen nur vier Prozent erkennen.

Allerdings gibt es auch negative Wahrnehmungen betreffend die Verwendung. So gibt etwa eine Teilnehmerin an, dass ein Scooter schlicht ungeeignet sei, um ein kleines Kind nebst Schulequipment zum Unterricht zu bringen. Andere steuern bei, dass das Fahren mit Absatzschuhen oder Kleid problematisch sei. Die klare Mehrheit der Nutzerinnen würde prinzipiell gerne mit Helm fahren und tut das auch teilweise, sie finden das Mitführen eines solchen aber im Widerspruch zur Praktikabilität des Gefährts (65 Prozent).

Das größte Hindernis, das Frauen davon abhält, öfter oder überhaupt mit E-Scootern zu fahren, ist allerdings das Verkehrsumfeld. 79 Prozent der Teilnehmerinnen empfinden dieses als "feindselig". Genannt werden hier unsichere Straßen sowie Autofahrer, die sich mitunter aggressiv verhalten. "Wenn ich in der gleichen Spur wie Autos fahre, werde ich regelmäßig angehupt oder angeschrien, obwohl ich weiß, dass ich nichts falsch mache", schildert eine Probandin.

Ungewisse Regeln, kein "Safe Space" zum Üben

Hier spielt ein weiterer Punkt hinein, nämlich Ungewissheit ob der geltenden Regeln, die sich oft von Land zu Land oder gar von Stadt zu Stadt unterscheiden. Viele Befragte sind sich unsicher, wo sie fahren und parken dürfen. Oft fehlt es auch an einer Umgebung, in der man das Scooter-Fahren Erlernen kann, ohne potenziell anderen Verkehrsteilnehmern in die Quere zu kommen. Jene, die zu den irregulären oder regelmäßigen Fahrerinnen zählen, haben zumeist von anderen Fahrern und Fahrerinnen gelernt. Viele, die sich bislang noch nicht auf einen E-Scooter gewagt haben, wünschen sich hingegen die Möglichkeit, in Parks oder anderen autofreien Umgebungen üben zu können. Was ebenfalls zur Verwirrung beiträgt, ist die oft hohe Anzahl der Anbieter mit ihren jeweils eigenen Apps.

Ein zwiespältiges Bild ergibt sich, wenn es um das Gefühl der persönlichen und nicht verkehrstechnischen Sicherheit gibt. Während ein Teil der Teilnehmerinnen in den Scootern eine sichere Möglichkeit zur nächtlichen Heimreise erblickt, insbesondere wenn das Taxi gerade nicht leistbar ist, fühlen sich andere darauf eher verletzlich, auch weil sie auf den Scootern auf eine im Vergleich zu Rädern oder Autos niedrige Geschwindigkeit begrenzt sind. Zudem kann das Entsperren eines Leihscooters per App mitunter einige Zeit dauern, was in der Nacht ebenfalls das Gefühl von Unsicherheit verstärken kann.

Die Wahrnehmungen unterschieden sich aber auch stark je nach konkreter Lage, etwa ob auf einer Straße gerade viele Menschen unterwegs waren oder ob man durch eine "Slow Zone" fährt, in der Leihscooter aufgrund behördlicher Vorgaben gedrosselt werden.

Sehr kontextabhängig waren die Wahrnehmungen zum Kostenfaktor. Dort, wo mit den Scootern ein Auto ersetzt wurde und öffentlicher Verkehr relativ teuer ist, wurde ihnen ein finanzieller Vorteil zugeschrieben. Thematisiert wurden hier auch die Zeit und die Kosten für die Parkplatzsuche.

Minderheitsgefühl

Ein wichtiger Aspekt für Nichtfahrer ist auch die Wahrnehmung von Scooter-Fahrern. Auf der negativen Seite verbuchten diese Probandinnen unter anderem den hohen Anteil vor allem junger Männer. Dieser vermittelte ein Gefühl, in der Minderheit zu sein, und schreckte damit auch davon ab, selbst einen Scooter zu nutzen. Hinzu kam der Eindruck, dass die Roller oft nicht als praktisches Fortbewegungsmittel, sondern mehr zum Spaß genutzt und nicht immer gut behandelt wurden. Schlechten Eindruck hinterließen auch Scooter-Nutzer, die sich wenig um andere Verkehrsteilnehmer und Regeln scherten.

Hier spielt freilich auch das Phänomen der selektiven Wahrnehmung eine gewisse Rolle. Bei den Nichtfahrerinnen erkannten nur 27 Prozent unter den Fahrern Menschen, die ihnen selbst ähneln (bezogen etwa auf Geschlecht und Alter). Unter den regelmäßigen Fahrerinnen kehrte sich das Bild praktisch um, hier lag der Anteil bei 70 Prozent.

Empfehlung

Aus den verschiedenen Erkenntnissen leitet die Untersuchung von Voi auch eine Reihe von Empfehlungen ab, die unter anderem bei der Verkleinerung des Gender-Gap helfen sollen. Die erste ist, dass Gesetzgeber dort, wo es sie noch nicht gibt, klare Regeln für private Scooter und Leihroller schaffen und entsprechend kommunizieren müssen. Auch eine Regulierung des Marktes befürwortet man, wenn notwendig auch zur Einschränkung des Scooter-Aufkommens.

Gemeinsam mit den Anbietern sollten auch Maßnahmen für das sichere Erlernen des Fahrens gesetzt werden, von Peer-to-Peer-Mentoring bis hin zu regelmäßigen öffentlichen "Lerneinheiten" in abgegrenzten Arealen.

Anbieter sollten außerdem auf mehr Inklusivität beim Design neuer Scooter-Modelle achten. Die öffentliche Hand hingegen könnte zur Erhöhung von Sicherheit und Sicherheitsgefühl oft Straßen und Plätze in der Nacht besser beleuchten. Als besonders wichtig – eine Debatte, die man auch aus Wien gut kennt – erachtet man außerdem, dass mehr Verkehrsfläche von Autos hin zu Passanten und Mikromobilität verlagert werden sollte. Bei der Entwicklung der Infrastruktur sollte man dann auch darauf achten, wie Fahrzeuge wie Scooter mit Fußgängern oder Fahrrädern gut koexistieren können. Zudem ruft man andere Leihanbieter dazu auf, jährlich einen Bericht über ihre Nutzerinnen und Nutzer zu erstellen und die Geschlechteraufteilung auszuweisen. (gpi, 9.6.2022)