Der Vorstoß der EU kommt spät – wohl auch wegen der vielen Tech-Konzerne, die ihre eigenen Interessen in die Diskussion einbringen.

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USB-C, Lightning-Anschluss oder Magsafe: Unterschiedliche Anschlüsse können nerven. Die EU argumentiert ihren Vorstoß zur Vereinheitlichung der Ladekabel für kleine und mittlere Elektrogeräte ab 2024 allerdings mit dem Ziel, die Menge an Elektroschrott zu reduzieren. Apple reagiert verschnupft und wirft der EU Innovationsfeindlichkeit vor. Aber was bedeutet dieser Schritt letztlich für den Kunden? Wird er profitieren oder verlieren?

Frage: Worum geht es?

Antwort: Am Dienstag hat sich die EU auf eine Vereinheitlichung der Ladekabel für kleine und mittelgroße Elektrogeräte geeinigt. Diese müssen ab Herbst 2024 mittels USB-C aufgeladen werden können. Aber nicht nur das: Die EU will die Ladegeschwindigkeit von mit Fast Charging kompatiblen Geräten harmonisieren. Kundinnen und Kunden sollen außerdem selbst entscheiden können, ob sie ein neues Gerät mit oder ohne Ladegerät kaufen. Damit soll in erster Linie Elektroschrott reduziert werden.

Frage: Welche Geräte fallen unter die neue Richtlinie?

Antwort: Aktuell handelt es sich um sechs Gerätekategorien: Mobiltelefone, Tablets, Kopfhörer, Lautsprecher, tragbare Spielkonsolen und Kameras. Das Parlament arbeitet bis zur Umsetzung allerdings noch an Ergänzungen dieser Liste. So wird die Richtlinie wohl auch E-Reader, Tastaturen, Computermäuse, Navis, Smartwatches und elektronisches Spielzeug betreffen, sofern diese groß genug für den nötigen Anschluss sind. Größere Geräte, etwa Laptops, sollen zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt werden.

Frage: Wird die EU ihr Ziel erreichen, den Elektroschrott zu reduzieren?

Antwort: Experten gehen davon aus, dass die Masse an Elektroschrott auf diese Weise tatsächlich reduziert werden könnte. Die EU-Kommission spricht von jährlich 11.000 Tonnen Schrott durch entsorgte und nicht benutzte Ladegeräte, wovon durch die neue Richtlinie etwa 1.000 Tonnen eingespart werden könnten. Weit mehr würde es für die Umwelt allerdings bringen, auch hier sind sich Experten einig, wenn grundsätzlich die Langlebigkeit der Geräte erhöht werden würde.

Frage: Warum und von wem wird die Richtlinie kritisiert?

Antwort: Vor allem Apple sträubt sich gegen die Entscheidung. Der US-Konzern ist einer von wenigen, die noch immer primär auf proprietäre Anschlüsse setzen. War man bei den Macbooks bereits auf dem USB-C-Standard, steuert man mit der neuen Air-Generation, die erst vor wenigen Tagen vorgestellt wurde, wieder auf den älteren Magsafe-Standard zurück. Der größte Kritikpunkt von Apple: Die Richtlinie sei innovationsfeindlich. Die Zukunft liegt laut dem US-Konzern ohnehin im induktiven, kabellosen Laden.

Eine Vereinheitlichung hat auf den ersten Blick natürlich zahlreiche Vorteile. Kabelloses Laden drängt aber bereits nach.
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Frage: Ist USB-C tatsächlich ein einheitlicher Standard?

Antwort: Es gibt tatsächlich unterschiedlich schnelle USB-C-Anschlüsse, wie das auch bei anderen Ladestandards der Fall ist. Bei USB-C reicht die Geschwindigkeit der Datenübertragung meist von fünf bis 20 Gigabit pro Sekunde. Zudem ist die Watt-Zahl nicht unerheblich, etwa für Schnelllademöglichkeiten.

Frage: Was heißt das für kabelloses Laden?

Antwort: Nicht nur Apple sieht die Zukunft im kabellosen Laden. Auch das EU-Parlament glaubt, dass man auch in diesem Bereich für eine Vereinheitlichung sorgen muss, wie im Entwurf der kommenden Richtlinie geschrieben steht: "Die Europäische Kommission soll Maßnahmen ergreifen, die zu einem Standard für das kabellose Laden führen sollen." Als Zeitrahmen sieht die EU auch hier zwei Jahre, bis man klar formulieren kann, um welchen Standard es hier letztlich gehen wird.

Frage: Profitiert der Kunde von dieser Entscheidung?

Antwort: Als Apple erstmals ankündigte, seinen Smartphones keine Netzteile mehr beizulegen – und das natürlich aus Gründen des Umweltschutzes –, war der Aufschrei groß, vor allem weil sich das nicht in einer Preisreduzierung für den Kunden niederschlug. Künftig werden Hersteller auch nicht mehr dazu verpflichtet, ein Ladekabel beizulegen. Ähnlich wie beim kommenden Macbook Air von Apple, bei dem man aktuell noch aus drei Netzteilen mit unterschiedlichen Preisen wählen kann, wird das wohl auch das Zukunftsmodell bei Ladekabeln.

Wer schon ausreichend Kabel zu Hause hat und nicht immer alle Geräte gleichzeitig laden muss, freut sich zumindest für die Umwelt. Was allerdings wohl klar ist: Günstiger werden die Produkte deshalb nicht – zumindest nicht für den Endverbraucher.

Beim neuen Macbook Air kann man das gewünschte Netzteil beim Kauf angeben.
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Frage: Wann treten die Regeln in Kraft?

Antwort: Der derzeitige Entwurf sieht ein Inkrafttreten Mitte 2024 vor. Das erscheint aufgrund des bereits erreichten Fortschritts – Parlament und EU-Staaten müssen nur noch formell zustimmen – realistisch. Die Übergangsfrist für die Unternehmen wird zwei Jahre betragen. Größere Geräte, etwa Laptops, sollen 2026 folgen. Hier soll die Übergangsfrist 40 Monate betragen, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Hersteller früher umstellen werden, wenn sie das nicht ohnehin schon getan haben. (aam, 9.6.2022)