Im Gastblog beleuchtet die Juristin Julia Andras ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, wonach das Kontaktrecht zwischen Eltern und Kindern ein Grundrecht sei.

Trennungen beziehungsweise Scheidungen können für die beteiligten Personen mit vielen emotionalen, psychischen und wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden sein. Unangefochtene Hauptleidtragende sind aber in den meisten Fällen die Kinder des sich trennenden Paares. Sachverständige und Gerichte versuchen daher in jenen Verfahren, in welchen es um die Obsorge und das Kontaktrecht zum gemeinsamen Kind geht, den Eltern klarzumachen, dass die Trennung der Paarebene von der Elternebene der wichtigste Schritt ist, um den ohnehin auf einem Kind lastenden Loyalitätskonflikt zu mindern.

Zur Unterstützung der Trennung dieser beiden Ebenen gibt es sogar das im Gesetz vorgeschriebene Wohlverhaltensgebot, wonach jeder Elternteil verpflichtet ist, zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des minderjährigen Kindes zu anderen Personen, denen das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert. So steht es den Eltern insbesondere nicht zu, sich vor oder gegenüber dem Kind über den anderen Elternteil in einer herabwürdigenden Weise zu verhalten oder zu äußern. Verstöße gegen das Wohlverhaltensgebot können sich nachteilig auf das Kindeswohl auswirken, was wiederum zur Einschränkung des Kontaktrechts zwischen dem Elternteil, in dessen Haushalt das Kind nicht hauptsächlich betreut wird, führen kann. In einem solchen Fall hat der Oberste Gerichtshof vor einigen Jahren entschieden.

Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/PeopleImages

Besuchsmittlung durch Familiengerichtshilfe

Das betroffene minderjährige Kind lebte bei seiner Mutter, von der es auch betreut wurde und der die alleinige Obsorge zukam. Die Eltern stritten sowohl über die Obsorge als auch über das Kontaktrecht des Vaters zum Kind. Zunächst kam dem Vater ein vorläufiges Kontaktrecht in einem Besuchscafé zu. Er beantragte dann aber die zeitliche Ausdehnung des Kontaktrechts und auch unbegleitete Besuche zu seinem Kind. Weiters beantragte der Vater, der Mutter die Obsorge zu entziehen und ihm diese allein zu übertragen, weil die Mutter ihm den Kontakt mit dem Kind verweigere und verwehre. Die Mutter wiederum beantragte, die Kontakte zwischen dem Vater und dem Kind bis zum Vorliegen eines psychiatrischen Gutachtens über den Vater auszusetzen, weil dieser nicht vertrauenswürdig sei.

Das Erstgericht wies zunächst die Anträge des Vaters auf Festsetzung der Obsorge beider Elternteile beziehungsweise seiner alleinigen Obsorge und eines laufenden Kontaktrechts ab, ebenso wies es den Antrag der Mutter auf Aussetzung des Kontaktrechts des Vaters bis zum Vorliegen eines psychiatrischen Gutachtens ab. Allerdings kam es zu einer vorläufigen Kontaktrechtsregelung, wonach der Vater das Kind im Rahmen von begleiteten Besuchskontakten einmal in der Woche treffen dürfe.

Weiters ordnete das Gericht die Besuchsmittlung durch die Familiengerichtshilfe an. Die Familiengerichtshilfe unterstützt das Gericht bei der Sammlung der Entscheidungsgrundlagen, der Anbahnung einer gütlichen Einigung und der Information der Parteien in Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte. Die bei der Familiengerichtshilfe tätigen Personen erstatten dem Gericht Bericht.

Mitarbeiter der Familiengerichtshilfe können als sogenannte Besuchsmittler eingesetzt werden. Ziel ist es, dass sie bei Konflikten der Eltern zwischen diesen vermitteln. Weiters kann die Familiengerichtshilfe bei der Vorbereitung der persönlichen Kontakte zu dem Elternteil, der mit dem Kind nicht im gemeinsamen Haus lebt, und bei der Übergabe des Kindes an diesen und die Rückgabe des Kindes durch diesen anwesend sein und damit zu einer Entlastung einer emotionalen Konfliktsituation beitragen.

Ungelöste Probleme auf der Paarebene

Die Kontakte zwischen dem Vater und seinem Kind verliefen harmonisch, sein Umgang mit dem Mädchen war kindgerecht, und er kümmerte sich gut um dieses. Allerdings wurde seitens des Gerichts die Kommunikation, die der Vater mit der Mutter führt, als äußerst bedenklich eingestuft. Grundsätzlich pflegen die Eltern Whatsapp-Kontakte. Teilweise gelang es ihnen hierbei, sich in ihrer Kommunikation auf die Tochter zu konzentrieren und in diesem Zusammenhang auch wichtige Informationen über das Kind auszutauschen. Der Vater fiel aber immer wieder mit sexistischen Bemerkungen gegenüber der Mutter auf und übermittelte ihr auch Bilder mit pornografischen Inhalten.

Die Mutter versuchte das Gespräch auf das Kind zu lenken und auf die Provokationen des Vaters nicht einzugehen. Es macht aber den Eindruck, dass ein Streit zwischen den Eltern, ihre (Ex-)Beziehung betreffend, weite Teile der Kommunikation belastete. Schließlich brach der Vater auch die Mediation bei der Besuchsbegleiterin ab und erklärte, dass diese für die Mutter Partei ergriffen hätte.

Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Kontakte des Vaters zum Kind nicht einfach entfallen dürften. Er hätte auch unter Beweis gestellt, dass er mit dem Kind umgehen kann und sich gut um dieses kümmern würde. Das Problem sei einzig und allein das Verhältnis der Eltern zueinander und die Tatsache, dass sie ihre Probleme auf der Paarebene noch nicht gelöst hätten.

Oberstes Prinzip: Das Wohl des Kindes

Das Rekursgericht war anderer Meinung und hob die Entscheidung des Erstgerichts auf. Es hätte sich gezeigt, dass der Vater bei persönlichem Kontakt nicht davor zurückschrecke, unangepasste und dem Wohlverhaltensgebot widerstreitende Wortmeldungen abzugeben, die die Mutter diskreditierten. Daher sei zu befürchten, dass das Kind künftig bei unbegleiteten Besuchskontakten Einblick in die herabwürdigende Einstellung des Vaters der Mutter gegenüber bekommen werde. Eine Besuchsbegleitung sei weiterhin erforderlich, sie gebe allen Beteiligten die Möglichkeit, das aufgeheizte Verhältnis abzukühlen und im Interesse des Kindes in geordnete Bahnen zu lenken.

Dagegen wandte sich der Vater mit einem Revisionsrekurs. Gegenstand des Verfahrens beim Obersten Gerichtshof ist ausschließlich das vorläufige begleitete Kontaktrecht des Vaters samt Anordnung der Besuchsmittlung und der Ausspruch der vorläufigen Verbindlichkeit.

Der Oberste Gerichtshof hält fest, dass das Kontaktrecht zwischen Eltern und Kindern ein Grundrecht sei, welches als Menschenrecht unter dem Schutz des Artikel 8 MRK stehe. Einschränkungen des Kontaktrechts zwischen dem Kind und jenem Elternteil, der es nicht hauptsächlich betreut, müssen daher die Ausnahme darstellen. Oberstes Prinzip der Gestaltung des Kontaktrechts ist immer das Wohl des Kindes. In einem Konfliktfall hat daher das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten. Im gegenständlichen Fall war der Umgang des Vaters mit dem Kind kindgerecht, und die Kontakte zwischen ihnen verliefen harmonisch.

Eine nicht vorhandene oder schlechte Kommunikationsbasis zwischen den Eltern sei noch kein Grund für eine Besuchsbegleitung, wohl aber für die Besuchsmittlung, welche ohnedies stattgefunden hatte (Familiengerichtshilfe). Unangepasste und dem Wohlverhaltensgebot widerstreitende Wortmeldungen des Vaters gegenüber der Mutter würden dann zu einem Problem führen, wenn diese in Anwesenheit des Kindes oder für das Kind in einer bemerkbaren Weise erfolgen, was im gegenständlichen Fall aber nicht festgestellt werden konnte.

Zwar sehe der Oberste Gerichtshof das Verhalten des Vaters im Zusammenhang mit der Übermittlung pornografischer Fotos an die Mutter jedenfalls als geschmacklos dar, es sei aber nicht davon auszugehen, dass in dieser Art der Kommunikation auch Dritte und insbesondere das Kind einbezogen wurden. Abstrakte Befürchtungen, es sei nicht von der Hand zu weisen, dass bei unbegleiteten Besuchskontakten das Kind einen Einblick in die herabwürdigende Einstellung des Vaters gegenüber der Mutter bekommt, würden nicht ausreichen, um das Kontaktrecht des Vaters zu beschränken. Im Ergebnis bleibt die vorläufige Kontaktregelung in Kraft, wobei aber weiterhin eine Besuchsmittlung durch die Familiengerichtshilfe stattfinden soll.

Wichtigkeit des Kontaktrechts

Diese Entscheidung zeigt wieder einmal die Bedeutung des Kontaktrechts zwischen Eltern und ihren Kindern und den hierbei über allem stehenden Maßstab, nämlich das Kindeswohl. Da im gegenständlichen Fall der Vater mit seinem Kind kindgerecht umgegangen ist und die Beziehung zwischen ihnen als harmonisch bezeichnet werden kann, wäre es nicht gerechtfertigt gewesen, das Kontaktrecht des Vaters zu seiner Tochter einzuschränken.

Die vom Gericht beigegebene Besuchsmittlung durch die Familiengerichtshilfe soll die Eltern dabei unterstützen, ihren emotionalen Konflikt zu bewältigen und im Interesse des Kindes die Paar- von der Elternebene zu trennen. Dies ist sämtlichen voneinander getrennt lebenden Elternteilen grundsätzlich immer zu empfehlen (OGH vom 28.3.18, 6 Ob 33/18y). (Julia Andras, 10.6.2022)