Der Countertenor Bejun Mehta ist in "Silla" zu hören

Foto: Borggreve,

Aller guten Dinge sind drei, was die Opernproduktionen bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik anbelangt. Den Grundton in diesem Dreiklang setzt in diesem Sommer ein Deutscher: Carl Heinrich Graun. Selbiger war der Darling des preußischen Königs Friedrich II., noch als Kronprinz verpflichtete der kunstaffine Spross der Hohenzollern den Komponisten an seinen Hof in Rheinsberg. Nach der Thronbesteigung schickte Friedrich Graun 1740 erst einmal nach Rom, das neue königliche Opernhaus Unter den Linden brauchte schließlich Sängerinnen und Sänger von Format. Und ein wenig Direktkontakt mit dem Mutterland der Oper konnte Friedrichs Kapellmeister auch nicht schaden.

Gefeierter Mann

Zurück in Berlin, wurde Graun bald zum gefeierten Opernkomponisten, wobei er hierbei seinen König zum Kompagnon machte: Friedrich verfasste einige Opernlibretti höchstselbst. So auch jenes der Oper Silla, in dem der Preußenkönig – ursprünglich in französischer Sprache – über das Leben des römischen Diktators Lucius Cornelius Sulla reflektierte. Friedrich beschrieb seinen Herrscherkollegen als ein Beispiel dafür, wie man sich vom Tyrannen zum rücksichtsvollen Herrscher wandelt.

Im Jahr 1753 im königlichen Opernhaus Unter den Linden uraufgeführt, ist Silla eine Kastratenoper par excellence. Bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik konnte man dafür zwei echte Stars der Falsettstimmenkunst verpflichten – also Bejun Mehta und auch Valer Sabadus. Die erste große Opernproduktion im Tiroler Landestheater wird von musikalischer Seite selbstverständlich von Dirigent Alessandro De Marchi betreut, der in seiner 12. Spielzeit als Intendant das Innsbrucker Festwochenorchester leitet. Für die Regie zeichnet diesmal Georg Quander verantwortlich (zu sehen am 5., 7., 9. August).

Londoner Opernkämpfe

Im Landestheater wird traditionsgemäß gegen Ende August eine zweite große Opernproduktion gezeigt, in diesem Jahr ist das Giovanni Bononcinis Astarto. Die große Zeit dieser Oper waren die 1720er-Jahre, als Astarto die zweite Spielzeit der Royal Academy of Music am Londoner King’s Theatre am Haymarket eröffnete. Wir sind hier also musikgeschichtlich mittendrin in der Zeit der großen Londoner Opernkämpfe: Bononcini war auf diesem Feld ein Rivale Georg Friedrich Händels, und zwar ein durchaus ernst zu nehmender. Auch dank des Londoner Debüts des Kastratenstars Senesino wurde Astarto ein prächtiger Erfolg.

In Innsbruck wird nun erstmals die rekonstruierte Londoner Fassung der Oper von Bononcini präsentiert. Stefano Montanari leitet dabei das Enea Barock Orchestra, die Inszenierung von Silvia Paoli soll von den Bilderwelten Wes Andersons inspiriert sein. (25., 27. 8.) Und worum geht es eigentlich in dieser Barockoper? Im libanesischen Tyros liebt die Königin Elisa keinen Prinzen, sondern den Admiral Clearco.

Tragische Vorgeschichte

Aber zwischen den Vätern der beiden hat es eine tragische Vorgeschichte gegeben … Spannend, wobei: Eine starke Frau und eine maritime Thematik – das gibt es natürlich auch bei Carlo Pallavicinos Oper L’amazzone corsara. Die junge Königin Alvida ist hier erst zur Freibeuterin der Meere geworden und dann zur Gefangenen des Dänenkönigs Alfo. Die entscheidende Frage ist: Ob aus diesem angespannten Verhältnis noch wahre Liebe werden kann?

Junge Stimmen auf die Bühne

Jedes Jahr wird den Preisträgerinnen des von den Innsbrucker Festwochen organisierten Cesti-Wettbewerbs die Gelegenheit gegeben, ihr Können auf offener Bühne zu zeigen und ihre Erfahrungen in szenischen Belangen zu mehren. Wählte man dafür früher eher bekanntere Opern aus dem barocken Repertoire aus, so steht mit Pallavicinos 1686 in Venedig uraufgeführtem Werk erneut eine Rarität auf dem Programm. In den Kammerspielen des Hauses der Musik leitet Luca Quintavalle das Barockorchester:Jung, und Alberto Allegrezza zeichnet für alle szenischen Belange verantwortlich. (18.–23. 8.)

Sommerlicher Marathon der Konzerte

Das Konzertangebot der Innsbrucker Festwochen ist reich, es locken Veranstaltungen zu historischen Hörvergnügungen bei freiem Eintritt (Concerto mobile, Trompetenconsort Innsbruck, Lunchkonzerte im Hofgarten). Abgehoben sind die Konzerte nur, was manchen Austragungsort anbelangt: Auf dem höhergelegenen Schloss Ambras etwa finden ab Mitte Juli immer die Schlosskonzerte statt, das klingende Vorspiel zu den Festwochen.

Mit "Geigengeflüster" ist der erste Abend betitelt, Gunar Letzbor und das Ensemble Ars Antiqua Austria widmen sich den komponierenden Kunden des Innsbrucker Geigenbauers Jakob Stainer, wie etwa Giovanni Buonaventura Viviani und Heinrich Ignaz Biber (12. 7.).

Musik der Rivalen

Den Wechsel vom "Stimmengewirr" der Polyfonie zur Homofonie, von der "prima pratica" zur "seconda pratica" zeichnet Blockflötistin Anna Fusek mit Kollegen nach. (19. 7.) "Bounasera, Monsieur!" heißt es bei Sopranistin Rachel Redmond und dem Ensemble Le Caravansérail, die von der Rivalität der französischen und der italienischen Sprache im Frankreich des beginnenden 18. Jahrhunderts erzählen, mit Musik von Scarlatti und Rameau. (26. 7.) Und "A quattro violini" wurden die Werke von Georg Philipp Telemann & Co komponiert, die das Ensemble Diderot und Johannes Pramsohler präsentieren werden. (2. 8.)

Musik als Wettbewerb

Um britische Gambenmusik von Locke, Purcell u. a. geht es bei "Glorious viols" mit Fretwork im Spanischen Saal. (8. 8.) In die aufregende Zeit des Konzils von "Constantia" (Konstanz) entführt La fonte musica unter der Leitung von Michele Pasotti in der Jesuitenkirche. (17. 8.)

Ein Highlight ist mit Sicherheit auch das "Virtuosen"-Konzert der Accademia Bizantina im Haus der Musik unter der Leitung von Ottavio Dantone, des zukünftigen Musikchefs der Festwochen. (21. 8.) Und wundervolle Barockarien von Vivaldi & Co sind beim Finalkonzert des Cesti-Wettbewerbs im Haus der Musik zu hören. (28. 8.) Applaus! (Stefan Ender, 10. 6.2022)