Warum nicht mal anderen gegenüber mansplainen als der Kollegin, der Freundin oder irgendeiner anderen Frau?

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Dass Männer Frauen gerne ungefragt Dinge erklären, hat sich ja mittlerweile herumgesprochen. Seit Jahren ist das Internet voll von Memes, in denen Typen offenbar desinteressierte Frauen volllabern. Es gibt grafische Darstellungen, die ziemlich klar umreißen, wann etwas Mansplaining ist.

Auf Konferenzen werden Teilnehmerinnen von Männern mit der Aufforderung konfrontiert, sie möchten sich doch bitte mal sachkundig machen und dieses oder jenes Buch lesen – bis sich dann einen peinlichen Moment später herausstellt, dass die angesprochenen Frau das empfohlene Buch selbst verfasst hat. Und es ist tatsächlich möglich, als Frau mit schwachsinnigem Mansplaining eingedeckt zu werden, während man am Pool liegt und einen hervorragenden Essay über Mansplaining liest.

Mansplaining ist eine so feste, scheinbar unverrückbare Größe in intergeschlechtlicher Kommunikation, dass man darüber eigentlich nur noch entnervte Metawitze machen möchte.

Aber dafür ist das Thema dann doch schlicht zu ernst. Ich zum Beispiel ertappe mich leider immer noch regelmäßig dabei. Mansplaining ist in meinem Fall eine Mischung aus dem mir ansozialisierten Eindruck, zu nahezu allen Themen ohne große Vorbereitung halbwegs verständig sprechen zu können, und der nur schwer aus den Knochen zu schüttelnden Überzeugung, Frauen bräuchten in bestimmten Situationen einen Mann, der für sie Dinge regelt und ihnen die Welt herrklärt. Wie gesagt: Gelegentlich erwische ich mich selbst dabei. Und manchmal fallen mir die Auswirkungen von Mansplaining auf Frauen unangenehm auf. Kürzlich stand ich mit einigen Kolleginnen hinter der Bühne einer gleich stattfindenden Podiumsveranstaltung. Alle meine Kolleginnen waren Expertinnen auf ihrem Gebiet und beruflich herausragend erfolgreich. Sie hatten promoviert, Bestseller geschrieben, Firmen gegründet und NGOs geleitet. Aber während ich dachte: "Das wird sicher lustig, wann geht’s endlich los", kämpften meine Kolleginnen alle sichtlich mit ihren eigenen Versionen des Impostor-Syndroms. Sie machten sich Sorgen, dass man(n) entdecken könnte, wie sehr sie ihren Erfolg nur glücklichen Umständen zu verdanken hätten. Sie hatten Angst, man könnte sie als Hochstaplerinnen entlarven.

Erklärbären woanders hinschicken

Das hat nichts mit Lampenfieber zu tun, sondern mit einer übermächtigen Konstruktion von Wirklichkeit, die ihnen weismacht, sie wären als Frauen hier fehl am Platz. Mir hingegen vermittelt sie, dass ich mich überall schon irgendwie werde durchsülzen können, weil mir Erfolg und Aufmerksamkeit qua Geschlecht zustehen. Das ist ein ziemlich machtvolles Gefühl, das sich nur schwer abgeben und entlernen lässt. Dafür fühlt es sich zu gut an.

Und deshalb sollten wir Männer uns alle zusammentun und Roger Köppel (Köppel ist Chefredakteur und Verleger des Schweizer Wochenmagazins "Die Weltwoche") sagen, dass er überbewertet und ahnungslos ist, und ihn nach Kräften mit Widerspruch eindecken.

Tja, damit haben Sie nicht gerechnet. Steht hier aber tatsächlich so, lesen Sie den Satz, in den ich Sie über diesen Text reingequatscht habe, gerne noch mal. Der Schweizer Medienunternehmer und Politiker Roger Köppel kommentierte die Debatte um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts nämlich jüngst mit den Worten "Jede große Liebe beginnt mit einem Nein der Frau".

Angesichts der Tatsache, dass dieser Satz so falsch wie widerlich ist, dachte ich mir, es wäre doch nett, wenn wir Männer unser "Mansplaining-Talent" zur Abwechslung einfach mal auf Männer anwenden. Wir verknüpfen unsere antrainierte Lust am ungefragten Erklären mit informierter, substanzieller Abscheu über diese Aussage und kombinieren sie mit diesem herablassenden, übergriffigen Ton, den wir sonst nur für Frauen reserviert haben: Roger, Schätzchen, davon verstehst du wirklich nichts. Wir wissen, du bist gedanklich schon wieder am Krawattenshoppen, aber lies doch mal ein Buch zu dem Thema. Leg deine Ausgabe von "Autopflege für Junggebliebene" beiseite und mach deine Hausaufgaben.

Wenn schon mansplainen, dann richtig. (Nils Pickert, 12.6.2022)