Nach wie vor ist unklar, ob und wie sich eine Covid-19-Infektion während der Schwangerschaft auf das Baby auswirkt – außer durch indirekte Folgen wie eine Frühgeburt wegen der Infektion.

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Es war einer der hartnäckigsten Mythen rund um die Impfung gegen Covid-19: Sie würde unfruchtbar machen, zu Geburtskomplikationen führen oder gar die Babys schädigen. Das Gegenteil ist wahr, wie in den letzten Monaten etliche Studien mit harten Daten belegten: Die Impfungen bringen für Schwangere und den Nachwuchs keine Nachteile, schütz(t)en aber vor Covid-19-Infektionen, schweren Verläufen, Frühgeburten und anderen Komplikationen.

In Österreich führte das zu einer etwas paradoxen Empfehlung: Das Nationale Impfgremium spricht sich zwar dafür aus, dass sich Schwangere impfen lassen sollten – eben wegen des erhöhten Risikos für Komplikationen durch eine Infektion. Von der – ohnehin nicht in Kraft getretenen – Impfpflicht sind sie aber ausgenommen, obwohl sie eigentlich zu den Risikogruppen zählen und für sie die Impfung besonders wichtig wäre.

Ungeklärte Fragen

Wie aber sieht es mit möglichen mittelfristigen Folgen einer Covid-19-Infektion während der Schwangerschaft für Babys aus? Tragen sie womöglich Entwicklungsstörungen davon? Diesen Fragen, die nach wie vor ungeklärt sind, ging ein US-Team unter der Leitung von Andrea Edlow (Harvard Medical School, Massachusetts General Hospital) nach. Sie stellten zwar fest, dass gewisse Entwicklungsstörungen etwa doppelt so häufig bei Babys von infizierten Schwangeren auftraten als bei nicht-infizierten. Doch die Ergebnisse sind aus mehreren Gründen umstritten.

Die Forschenden verglichen für ihre Beobachtungsstudie im Fachblatt "Jama Network Open" zwei Kohorten von Neugeboren im Alter von bis zu zwölf Monaten. Die Daten stammten aus sechs Krankenhäusern in den USA. In der einen Gruppe waren 222 Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurden, und 7.550 Babys, deren Mütter während der Schwangerschaft nicht infiziert wurden.

Das Hauptergebnis: Insgesamt erhielten 14 der 222 exponierten Nachkommen (6,3 Prozent) und 227 der nicht exponierten Nachkommen (drei Prozent) eine Diagnose für eine neurologische Entwicklungsstörung. Das würde darauf schließen lassen, dass sich dieses Risiko durch eine Infektion in etwa verdoppelt.

Umfassende Studienkritik

Doch die Studienergebnissen sind mit Vorsicht zu genießen – und zwar gleich aus mehreren Gründen, wie Marian Knight (Universität Oxford) zu bedenken gibt, die an der Untersuchung nicht beteiligt war, aber selbst im Rahmen der britischen "Sinepost"-Studie zu dem Thema forscht. Hier scheinen die vorläufigen Ergebnisse darauf hinzudeuten, dass bei Babys von infizierten Müttern keine oder nur schwache gesundheitliche Entwicklungsstörungen unmittelbar durch die Infektion beobachtet wurden.

Sinepost Study

Knight liefert in ihrer Analyse der neuen US-Studie nachgerade eine Dekonstruktion der Ergebnisse. Zum Ersten gibt sie zu bedenken, dass die Zahl der Babys mit möglichen Entwicklungsstörungen insbesondere bei den Schwangeren mit Sars-CoV-2 mit 14 sehr klein ist.

Zweitens wendet sie ein, dass nicht klar ist, unter welchen Umständen es zum positiven Test kam. Knights Verdacht: Bei Schwangeren mit Komplikationen wird eher getestet. "Das bedeutet, dass eine Sars-CoV-2-Infektion bei diesen Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit entdeckt wird, auch wenn sie keine Auswirkungen auf ihre Schwangerschaft hat, so die Professorin für Kinder- und Müttergesundheit.

Drittens würden die Forschenden nur Informationen über eine begrenzte Anzahl von Schwangerschaftskomplikationen vorlegen, nämlich Diabetes, Präeklampsie und Blutungen. "Unterschiede in der Häufigkeit anderer Schwangerschaftskomplikationen könnten ihre Ergebnisse eher erklären als eine SARS-CoV-2-Infektion", vermutet Knight.

Folgen von Frühgeburten?

Schließlich sei unklar, was eine in der Studie behauptete "Entwicklungsstörung des Sprechens" bei Säuglingen im Alter von bis zu zwölf Monaten konkret bedeutet. Für Knight ist offensichtlich, "dass viele der Babys in dieser Studie zu früh geboren wurden, was eine Erklärung für die Ergebnisse sein könnte".

Das Resümee von Dimitrios Siassakos (Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie, University College London), der ebenfalls nicht an der Untersuchung beteiligt war, fällt ähnlich aus: "Diese Studie liefert einige Hinweise darauf, dass Frauen, die positiv getestet wurden, Babys mit neurologischen Entwicklungsproblemen hatten. Es gibt keinen Beweis dafür, dass dieser Zusammenhang ursächlich ist, also dass Covid-19 direkt zu diesen Problemen führt."

Marian Knight, die zu einer ähnlich kritischen Einschätzung kommt, hat eine klare Empfehlung, unabhängig von den Studienergebnissen: "Wir wissen, dass die Impfung schwangere Frauen vor schweren Covid-19-Erkrankungen schützt und auch dazu führt, dass ihre Babys seltener zu früh geboren werden. Eine vollständige Impfung ist das Beste, was Frauen tun können, um ihr Baby vor den nachteiligen Folgen einer Covid-19-Erkrankung zu schützen." (tasch, 9.6.2022)