Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verspricht, den Effekt der Preiserhöhung für ärmere Kunden abzufedern.

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Die Erhöhung der Fernwärmepreise im roten Wien konterkariert die Antiteuerungskampagne der Bundespartei. Hinter den Kulissen brodelt es deshalb in der SPÖ.

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Die politische Temperatur stieg von Stunde zu Stunde, seit die Wien Energie am Mittwoch die Erhöhung der Fernwärmepreise um 92 Prozent angekündigt hatte. Es hagelte Kritik von allen Seiten, und auch in der SPÖ wuchs der Unmut. Denn der anstehende Preisschub im roten Wien steht im krassen Gegensatz zu den Vorschlägen der Bundespartei gegen die Teuerung.

Am Donnerstagabend wurde die Causa Fernwärme für Bürgermeister Michael Ludwig zu heiß: Er kündigte ein neues Unterstützungspaket für besonders Betroffene an. "Wir werden Maßnahmen setzen, um die Erhöhung der Preise für die Kundinnen und Kunden deutlich abzufedern", hieß es in einer Aussendung der Rathauskorrespondenz.

Mehr Geld für mehr Leute

Wie diese genau aussehen werden, ließ die Stadtregierung offen. Geplant sei, bei der bereits beschlossenen Energieunterstützung sowohl den Bezieherkreis als auch den finanziellen Zuschuss auszudehnen. Bisher war geplant, dass 260.000 Wienerinnen und Wiener ab Ende Juni 200 Euro direkt auf ihr Konto bekommen sollen, um die steigenden Heiz- und Stromkosten ein wenig auszugleichen. Außerdem sollen Alleinerziehende zusätzlich 100 Euro erhalten. Diese Hilfen kommen zusätzlich zum Energiebonus von 150 Euro, den die Bundesregierung über die Stromversorger an die meisten Haushalte ausschütten lässt.

Die Kosten des ersten Unterstützungspakets wurden bei der Ankündigung im März auf rund 125 Millionen Euro geschätzt. Beschlossen ist dieses auch noch nicht: Laut einer Aussendung soll dies im kommenden Landtag geschehen. Der Beschluss für das Zusatzpaket und damit auch für die Auszahlung dürfte demnach erst später kommen.

Schon im Vorfeld hatte die Stadtregierung angedeutet, dass sie die Hilfen aufstocken werde. "Wir werden uns in enger Abstimmung mit dem Bürgermeister etwas einfallen lassen", teilte etwa das Büro von Finanzstadtrat Peter Hanke am Donnerstag mit. "Das Leben in Wien muss weiterhin leistbar bleiben."

Forderungen der Bundespartei

Die Bundespartei hat es in dieser Sache leichter: Sie muss nur fordern und nicht finanzieren. Am Donnerstag bekräftigte Alois Schroll, Energiesprecher im Nationalrat, die roten Forderungen nach einer Streichung der Mehrwertsteuer auf Energie und einem Preisdeckel auf Strom und Gas für Geringverdienende. Vergangene Woche machte Parteichefin Rendi-Wagner mit dem Verlangen, Gewinne von Energieerzeugern abzuschöpfen und in "Antiteuerungsmaßnahmen" zu investieren, von sich reden. Beides war garniert mit Kritik an der türkis-grünen Koalition, der die SPÖ Untätigkeit vorwirft. Die Krux dabei: Derartige Forderungen und Aussagen drohten angesichts der Fernwärmeverteuerung in Wien an Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Hinter vorgehaltener Hand hatte es bereits Kritik an der Rathaus-SPÖ gegeben. Da war die Rede von einer "übersättigten und überheblichen" Gruppe, die in Wien am Werk sei. Viel ist davon zu hören, dass sozialpolitisch die einheitliche Linie fehle, das zeigten die Preiserhöhungen in Wien genauso wie das Hin und Her beim Mindestlohn. Auch hier lege sich vor allem die Wiener SPÖ quer.

Für die politischen Gegner der SPÖ ist der Preisschub eine willkommene offene Flanke – im Bund und in Wien. Das bekam Ludwig unmittelbar, nachdem die Preiserhöhung bekannt geworden war, zu spüren. Obwohl, wie der STANDARD berichtete, Fernwärme auch in anderen Bundesländern teurer wird, dreht sich die Aufregung allen voran um Wien. Das liegt zum einen daran, dass die Preissteigerung in der Bundeshauptstadt mit Abstand am größten ist. Zum anderen dürfte aber auch eine Erwartungshaltung an die rote Stadtregierung hineinspielen, die die Opposition auszunutzen weiß.

Unruhe in den eigenen Reihen

Diese wird auch an Reaktionen aus den eigenen Reihen deutlich. In Teilen der SPÖ sorgt die Preissteigerung für Unruhe – ein potenzielles Risiko für den innerparteilichen Frieden. Besonders deutlich wurde Renate Anderl, Präsidentin der SPÖ-nahen Arbeiterkammer (AK). Sie legte am Donnerstag mit Kritik an der Tariferhöhung nach. "Um Armut zu verhindern, wird es entweder nötig sein, dass diese Preiserhöhung nicht stattfindet. Oder dass es ein Paket zur Entlastung gibt."

Ähnlich reagierte Wolfgang Katzian, wortgewaltiger Präsident des Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Als er von der Tariferhöhung bei der Fernwärme hörte, habe er "g’schaut wie ein Autobus", sagte er am Mittwoch in der ZiB2. "Wenn die Wien Energie derartige Maßnahmen setzt, gehe ich davon aus, dass seitens der Stadt Kompensationsmaßnahmen gemacht werden." Und er ließ durchblicken, dem Bürgermeister die Meinung gesagt zu haben: "Sie kennen mich eh, wie ich bin."

Die Erhöhung der Fernwärmepreise im roten Wien konterkariert die Antiteuerungskampagne der Bundespartei. Bürgermeister Michael Ludwig zog am Donnerstagabend die Reißleine: Die Erhöhung kommt, aber wird mit zusätzlichen Hilfen abgefedert. (Eric Frey, Stefanie Rachbauer, Fabian Schmid, Walter Müller, 9.6.2022)