Neues Statut für einige Hundert Redakteurinnen und Redakteure des ORF – hier zwei der bekanntesten, Tobias Pötzelsberger und Susanne Höggerl im "ZiB"-Studio.

Foto: TVthek ORF Screenshot

Wien – Die Redakteurinnen und Redakteure des ORF bekommen mehr Rechte gegenüber Führungskräften – bis zu deren Absetzung durch den ORF-Generaldirektor. Eine langjährige Forderung des von Dieter Bornemann geführten Redakteursrats, die nun nach STANDARD-Infos aber mit einigen Sicherheitsschlaufen versehen ist.

Auf das neue, nun auch für die Onlineredaktion gültige Redaktionsstatut – bisher hieß die Version aus den 1970ern noch Redakteursstatut – haben sich Redakteursrat und ORF-General Roland Weißmann vor wenigen Tagen geeinigt. Das hat Weißmann auch am Donnerstag im ORF-Publikumsrat erwähnt – ohne auf die konkreten Änderungen einzugehen.

Die zentrale Neuerung nach STANDARD-Informationen betrifft die Rechte von Redakteurinnen und Redakteuren gegenüber ihren Führungskräften.

Bestellung mit schriftlicher Begründung

Bisher stimmen Redaktionen über Bewerberinnen und Bewerber für Führungsfunktionen ab, die jeweils zuständigen Direktorinnen schlagen ebenfalls dem ORF-General ihre Favoriten vor. Wer die Funktion bekommt, entscheidet der Generaldirektor als Alleingeschäftsführer. Der General oder die Generalin muss seine oder ihre Entscheidung gegenüber den Redakteursvertretern begründen, wenn sie von deren Votum abweicht.

Künftig soll es laut neuem Redaktionsstatut für Personalentscheidungen gegen Redaktionsvorschläge eine schriftliche Begründung geben. Informations- und Anhörungsrechte für die Redaktionen bei der Bestellung von Führungskräften werden nach ersten Infos über das neue Statut "erweitert".

Ablöse nach Empfehlung des ORF-Ethikrats

Redaktionen bekommen aber auch – und das ist sehr neu – Mitspracherechte bei der Ablöse ihrer Führungskräfte. Der Prozess nach dem neuen Redaktionsstatut: Nach drei Beschwerden über einen Chef oder eine Chefin kann die jeweilige Redaktion dieser Führungskraft das Misstrauen aussprechen.

Daraufhin tagt der ORF-interne Ethikrat – das Gremium wacht schon jetzt über die Einhaltung des internen "Verhaltenskodex" für ORF-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen (der etwa Unvereinbarkeiten von Nebentätigkeiten regelt). Das Gremium besetzen der ORF-General und der Redakteursrat mit jeweils vier Mitgliedern, die mit einfacher Mehrheit im Ethikrat entscheiden.

Dieser Ethikrat spricht nun zu Verbleib oder Ablöse der jeweiligen Führungskraft nach einem Misstrauensvotum der jeweiligen Redaktion eine Empfehlung aus. Danach entscheidet der ORF-Generaldirektor, ob diese Führungskraft von ihrer Funktion abgezogen wird.

Schutz vor Eingriffen in Beiträge

Das neue Redaktionsstatut soll Redakteurinnen und Redakteure nach ersten Infos auch besser gegen sachlich nicht gerechtfertigte Eingriffe von Vorgesetzten in Beiträge schützen.

Redaktionsstatut zum Newsroom-Einzug

Das neue Redaktionsstatut kommt wenige Tage vor dem Einzug der ORF-Redaktionen in den neuen, multimedialen Newsroom für TV, Radio und Online, der für einigen Unmut und Sorgen über die künftige Arbeitssituation sorgt. (fid, 10.6.2022)