Wo Mario Soldo draufsteht, da muss es immer auch ein bisschen glitzern. Der goldene Schriftzug auf den Erdgeschoßfenstern am Mittersteig 1 in Wien lässt keinen Zweifel, dass aus den Räumlichkeiten, in denen die Wiener Dragqueen-Ikone seit nunmehr zehn Jahren lebt, jetzt auch die Galerie Soldo geworden ist. Schoßhündchen Tosca wuselt auf dem Gehsteig freundlich um seine Beine, Soldo hat sich seine Sonnenbrille ins ergraute Haar hochgeschoben. Willkommen! Willkommen!

Die Ausstellung ist von Mi. bis Sa. von 15 bis 18 Uhr zugänglich. Freitag, 10. 6., findet von 16 bis 21 Uhr eine Regenbogenparade-Special-Party statt.
Foto: Markus Morianz, Mario Soldo

Die aktuelle Ausstellung in der Galerie Soldo heißt Mannsbilder. Dass dieser Titel nicht ganz schlecht gewählt ist, beweist nicht zuletzt der erste von drei Räumen mit zahlreichen Werken des Wiener Fotografen Markus Morianz, die da in einer dichten Petersburger Hängung bis unter die hohe Altbaudecke angebracht sind. Morianz gehört wie Soldo zum prominenten Teil der Wiener Schwulenszene, auch er war nicht zuletzt über die Jahrzehnte für Gery Keszlers (siehe Interview) Life Ball vielfach zugange.

Und Morianz kann den gebürtigen Tiroler nicht nur wegen des Ausstellungstitels nicht ganz leugnen, sieht er doch selbst wie eine gut gealterte Version seiner, sagen wir, meist kernigen Fotomodelle aus. Das beweist nicht zuletzt auch ein älteres Selbstporträt, für das er sich damals noch mit Spiegelreflexkamera und Selbstauslöser in einem Wasserfall liegend abgelichtet hat.

Ästhetische Rückschau

Morianz-Bild aus dem Jahr 2021
Foto: Markus Morianz

Dass die Ausstellung Mannsbilder noch bis zum Ende des Gay-Pride-Monats Juni hängen bleibt, ist nur konsequent. Denn Morianz’ wilder Bildermix aus sämtlichen seiner Ausstellungen, eigenen Kunstprojekten und Auftragsarbeiten ist mitunter auch eine ästhetische Rückschau auf die vergangenen Jahrzehnte seiner Männerfotografie. Wer aber glaubt, dass Morianz nur Schwule fotografiert hat, liegt falsch. Viele der Modelle sind Heteros und entsprechen einem schwulen Schönheitsideal.

"Es war der beste Entschluss meines späten Lebens!", sagt Soldo lachend und meint damit, die Galerie während des Lockdowns aufzusperren. Zuerst hatte Soldo die Idee, die Leute mit einer Facebook-Kochsendung zu unterhalten. Im Zuge dessen hat er sich auch im Marie-Kondo-Style – herrlich befreiend! – einiger Dinge entledigt und aus seiner Wohnung eine Gallery gezaubert.

Morianz-Bild von 1988
Foto: Markus Morianz

Das war auch für die Figur besser! Jetzt kuratiert er alle sechs Wochen in den charmanten Altbauräumlichkeiten eine neue Ausstellung, und die Menschen, die jemand wie Soldo dringend um sich braucht, kommen jetzt zu ihm. Während er das alles im Stakkato erzählt, sitzt man im zweiten Zimmer der Galerie an einem Tisch, der gerade auch sein Office ist.

Eine lange gemeinsame Geschichte

Kennengelernt haben sich Künstler und Galerist bereits in den späten 1980er-Jahren, Morianz war Student an der Angewandten und Soldo Barkeeper im Café Ring. Zwei Monate später tanzte Soldo in San Fransisco unter der Discokugel von The Stud, der "gaysten Disco der Stadt", und wer tanzt da vor ihm? Das darf wohl nicht wahr sein: Markus Morianz!

Morianz-Bild aus 1997
Foto: Markus Morianz

Seit damals sind die beiden ziemlich beste Freunde und haben, Soldo als Modelagent und Morianz als Fotograf, gemeinsam die Welt bereist und Fotoproduktionen in Berlin, New York, L. A., Rom, Mailand oder Thailand gestemmt. Die beiden können übrigens auch herrlich streiten, wenn es etwa um die Hängung für Mannsbilder geht. Die Eröffnung Ende April war dennoch ein voller Erfolg.

Die beiden verbindet also eine lange gemeinsame Geschichte: 1995 zum Beispiel, erinnert sich Mario Soldo, waren ein ganzer Haufen prominenter schwuler Österreicher beim Motto-Gründer Franz Thell zu Gast, "auch meine Wenigkeit". Und die Frage war: Wie nennen wir unsere Parade? Damals schrie Soldo: "Regenbogenparade!" Heute googelt er es vor: Tatsächlich gibt es dazu einen Wikipedia-Eintrag. 2022 findet die Regenbogenparade am 11. Juni statt.

Als erste österreichische Dragqueen war Soldo auch mit seinen vielen Clubbings legendär, heute wird er liebevoll "Omi" genannt. "Natürlich wird man alt, und dann hängst du im Museum", sagt Soldo milde und krault Tosca am Schopf. Museum ist seine Galerie noch keines, aber die aktuelle Ausstellung Mannsbilder ist auch eine Rückschau auf die vergangenen Jahrzehnte der österreichischen Schwulenbewegung.

In Richtung der Jungen

Der Blick durch die Galerie Soldo am Wiener Mittersteig: Der hintere Raum kann blitzschnell in eine Disco verwandelt werden.
Foto: Mario Soldo

Soldo ist als schwuler Mensch froh, hier zu leben. Österreich sei trotz allem ein liberaler und demokratischer Staat. "Ich wollte nie normal sein", erzählt er, aber es sei schön, wenn heute junge Schwule oder Lesben umschlungen in der Stadt unterwegs sein können. "The times they are a-changin": Soldo selbst musste noch im Rathauspark herumcruisen, um jemanden abzubekommen. "Heute schaust du auf eine App und hast in zwei Minuten ein Date."

"Es gibt mittlerweile mehr Akzeptanz, als wir annehmen", sagt Markus Morianz, und er sagt das auch in Richtung der Jungen. Vor allem in seinen jüngeren Arbeiten geht es viel um Androgynität, um etwas Weicheres, Feminines, auch Verletzliches.

In der Mitte seiner Fotoausstellung eine Art Centerpiece: männliche Mücken, die da schimmernd durch die Luft schwärmen und der Vielzahl an männlichen Körperbildern sozusagen einen Rahmen geben. Es verkörpert für ihn einerseits den ewigen Balztanz, aber in all seiner Schönheit auch etwas Bedrohliches.

Seine Mannsbilder, die mehrheitlich einen sehr maskulinen Pol des Genderspektrums abbilden, haben eine erstaunlich zeitlose Ästhetik. Morianz weiß um das Klischeehafte: "Genau das ist die Herausforderung", sagt er. Mit Genderfluidität hat er sich bereits für seine MQ-Ausstellung In Between beschäftigt, vielleicht ist dieses Zeitphänomen sogar mit dem, was Punk einmal war, vergleichbar, auch als Rebellion gegen das Establishment.

Problematischer Zugang

So viele "Mannsbilder", in der Mitte das Centerpiece mit männlichen Mücken.
Foto: Mario Soldo

Der rein binäre Zugang zu den Geschlechtern, den findet auch Morianz problematisch. Ein drittes Geschlecht sei tatsächlich wichtig. Nach dem Motto: "Am Anfang sind wir alle ja Zwitter, und erst ab sechs Wochen zeichnet sich ein eindeutiges Geschlecht beim werdenden Menschen ab – oder auch nicht", sagt Morianz, der für eine Offenheit plädiert, die auch "unglaublich schön und spannend" ist.

Soldo wurde tatsächlich als Zwitter geboren, übrigens in Kroatien, damals Jugoslawien. "Da gibt es jetzt endlich ein Adoptionsrecht für Homosexuelle!", weiß Soldo. Ein Vorkämpfer für das dritte Geschlecht war er immer schon, obwohl ihm das Gendern auf die Nerven geht. Es freut ihn, dass er, sie, Mario Soldo, Dame Galaxis, whatever, auf dem österreichischen Passamt jetzt tatsächlich ein X ankreuzen kann. Aber er schaut besorgt in Richtung Russland oder der Türkei.

Ikonografische Klassiker

Bei den ausgestellten Arbeiten von Morianz tendiert Soldo ästhetisch eher zu den sehr ikonografischen Klassikern, den scharfen Typen aus den 90ern. "Ich war ja nie der Heirater", sagt Soldo auf seine unterhaltsame Art, wenn man fragt, ob viele in der Community jetzt nicht auch einen konservativen Zugang zum Leben haben. Ja, manche haben den, er nicht. Heiraten, das war für ihn immer die Bürde der Heterosexuellen: heiraten, brav sein und Kinder kriegen. "Ich wünsche jedem damit viel Glück!"

Sein Motto war eher immer: "Get togehter!" Das gilt bitte auch für diese Woche. "Da machen wir hier Party!", sagen Fotograf und Galerist. In Kooperation mit der Regenbogenparade. Der dritte Raum am Ende der Zimmerflucht der Galerie Soldo kann blitzschnell in eine Disco verwandelt werden.

Die Discokugel hängt schon, die Stehbar für die Anlage steht schon bereit. Und wem die Sache nicht zu steil ist, für den führt eine Sambatreppe direkt in ein darüberliegendes Separee. Der Stofftiger wartet schon auf dem Bett. Getanzt wird zwischen 16 und 21 Uhr. Nachbarschaftsbeschwerden wird es keine geben. "Alle im Haus lieben mich", sagt Soldo. Und die Tosca sowie. (Mia Eidlhuber, ALBUM, 10.6.2022)