Karl Nehammer war Generalsekretär, als der RH-Bericht erstmals abgefertigt wurde.

Foto: Standard/Plankenauer

Die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft? "Linke Zellen" in der Justiz. Die Erkenntnisse des U-Ausschusses? "Anpatzen" der Opposition, die dreckig spielt. Das ist das Niveau, auf dem die ÖVP bislang auf Vorwürfe über ihr Gebaren reagiert hat. Seit Freitag, 10. Juni 2022, ist das nicht mehr möglich, dank eines vernichtenden Berichts des Rechnungshofs.

Der ist eine der letzten Institutionen in diesem Land, die noch nicht politisch angegriffen wurden. Geleitet wird er von Margit Kraker, die ihr halbes Leben in der ÖVP verbracht hat, etwa über ein Jahrzehnt lang Büroleiterin des heutigen steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer war. "Miese Packelei", schimpften die Neos, als die Koalition aus SPÖ und ÖVP Kraker im Jahr 2016 zur Rechnungshofpräsidentin machte. Doch Kraker entpuppte sich als unabhängige Präsidentin, die dem Ruf des Rechnungshofs alle Ehre machte.

Vernichtende Kritik

Umso vernichtender ist die Kritik zu sehen, die der Rechnungshof an der Volkspartei äußert. Es ist die Summe vieler Skandale, die Österreich seit Jahren erschüttern. Da geht es um nicht deklarierte Spenden in Millionenhöhe; um Tricksen, Tarnen und Täuschen, was die Struktur der Volkspartei und ihrer Bünde betrifft; und um einen mehr als fragwürdigen Umgang mit Steuergeld. Erstmals beauftragt der Rechnungshof einen externen Prüfer, sich das Gebaren der Volkspartei im Berichtsjahr 2019 anzusehen – weil er ihr nicht glaubt.

Der Rechnungshof glaubt damit auch nicht Kanzler Karl Nehammer, der im Jahr 2019 Generalsekretär der Volkspartei war und den Rechnungshofbericht mit seiner Unterschrift abgeschickt hat. Er glaubt auch nicht, dass der Seniorenbund ein eigenständiger Verein ist, wie die ÖVP zuletzt argumentierte. Oder dass es sich bei den Inseratenschaltungen im Magazin des Vorarlberger Wirtschaftsbunds um ganz normale Vorgänge handelte – vielmehr ist die Rede von "nicht deklarierten Spenden".

Frage der Regierungsfähigkeit

Wie kann es jetzt weitergehen? Die ÖVP kann jedenfalls nicht so weitermachen, als wäre nichts gewesen. Das hat sie versucht: Auf dem Parteitag blödelte Nehammer noch über Chats – das ist gescheitert. Die ÖVP muss alles auf den Tisch legen, sich reformieren und Demut zeigen. Alles daran wird der Partei aber widerstreben. Die merkwürdige Anti-Asyl-Kampagne von Generalsekretärin Laura Sachslehner gab einen Vorgeschmack darauf, welche Ablenkungsmanöver drohen.

Reagiert die Volkspartei nicht, stellt sich die Frage, ob das die richtige Partei ist, um Kanzleramt und Finanzministerium zu besetzen und den Vorsitzenden im U-Ausschuss zu stellen. Einerseits, weil das Vertrauen in das Handeln der türkis-schwarzen Politikerinnen und Politiker spätestens jetzt schwer beschädigt ist; andererseits, weil sich die Partei permanent mit eigenen Problemen beschäftigen muss. Dafür sind die realen Probleme der Bevölkerung aber zu mannigfaltig. Der dauerhafte Zustand der hausgemachten Krisen und Skandale, den Österreich spätestens seit Erscheinen des Ibiza-Videos erlebt, muss bald ein Ende finden. Es liegt an Kanzler Nehammer – er ist in die Pflicht zu nehmen, immerhin vertrauen ihm laut Bundesparteitag ja 100 Prozent der ÖVP-Funktionäre, die Partei in neue Zeiten zu führen. (Fabian Schmid, 10.6.2022)