Laut mittlerweile mehreren Studien senkt Kaffeekonsum das Sterberisiko. Unklar ist allerdings, woran das konkret liegt.

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Die mit Abstand beliebteste psychoaktive Substanz von Frau und Herrn Österreicher ist Kaffee. Rund drei Tassen davon trinkt jeder Erwachsene in diesem Land durchschnittlich täglich. Pro Jahr sind das fast acht Kilogramm Kaffee pro Person. Somit zählt Österreich international zu den "starken" Kaffeeländern. Wie eine neue Studie nahelegt, scheinen die drei Tassen auch eine ziemlich günstige Menge zu sein, um das Sterberisiko zu verringern.

Eine Studie, die kürzlich im Fachblatt "Annals of Internal Medicine" veröffentlicht wurde, kam nämlich zu dem Schluss, dass jene Personen, die 1,5 bis 3,5 Tassen Kaffee pro Tag tranken, ein um bis zu 30 Prozent geringeres Sterberisiko während des Studienzeitraums hatten als diejenigen, die keinen Kaffee tranken. Diejenigen, die etwa drei Tassen pro Tag tranken, hatten dabei das geringste Risiko.

Daten aus Großbritannien

Dass Kaffee zu den wenigen Genussmitteln gehört, die eine günstige Wirkung auf die Gesundheit haben dürften, wurde in den letzten Jahren durch mehrere Studien belegt. Regelmäßiger Kaffeekonsum war da jeweils mit einem niedrigeren Sterberisiko assoziiert – wobei natürlich auch für Kaffee gilt, dass allzu viel – bei den meisten Untersuchungen: jenseits der fünf Tassen – ungesund wird.

Ein Team um den chinesischen Epidemiologen Chen Mao von der Südlichen Medizinischen Universität in Guangzhou bestätigt in seiner neuen Studie die bisherigen Erkenntnisse – und zwar mit britischen Daten. Auf der britischen Insel, die eigentlich ein Land der Teekultur ist, hat Kaffee enorm an Popularität gewonnen. Das zeigt sich auch an den 171.161 britischen Probanden zwischen 37 und 73, die im Rahmen des UK-Biobank-Projekts Fragebögen zu ihren Ernährungsgewohnheiten ausgefüllt hatten. Von ihnen gaben nur knapp ein Viertel an, niemals Kaffee zu trinken.

Zucker bremst den Risikoschutz

Im Untersuchungszeitraum – im Schnitt pro Person rund sieben Jahre – gab es 3.177 Todesfälle. Wie in den früheren Studien war ein mäßiger Konsum von Kaffee mit einem niedrigeren Sterberisiko verbunden – bei drei Tassen bis zu 30 Prozent. "Das ist enorm. Es gibt nur sehr wenige Dinge, die die Sterblichkeit um 30 Prozent senken", schreibt Christina Wee (Harvard Medical School) in ihrem Kommentar zur Studie in den "Annals of Internal Medicine".

Bei einem höheren Kaffeekonsum (ohne Zucker) schwächte sich der Effekt ab, blieb jedoch auch bei mehr als 4,5 Tassen am Tag nachweisbar. Zucker im Kaffee verminderte die Wirkung: Hier wurde die beste Schutzwirkung bereits bei zwei Tassen erreicht, nahm danach aber kontinuierlich ab und verkehrte sich ab 4,5 Tassen ins Gegenteil.

Erklärung der Ergebnisse

Welche Inhaltsstoffe am Kaffee die eigentlich gesunden sind, ist freilich sehr viel weniger klar und kann durch diese reine Beobachtungsstudie natürlich nicht beantwortet werden. Eine geläufige Vermutung lautet, dass die gesunden Nebenwirkungen des Kaffees weniger im Koffein als in den Antioxidantien liegen, die in den Kaffeebohnen enthalten sind: Ihre antioxidativen Eigenschaften dürften dazu beitragen, sogenannte freie Radikale abzubauen, die Zellen schädigen. Das könnte durch Kaffee verhindert oder verzögert werden.

Es könnte freilich auch sein, dass britische Kaffeetrinker nicht wegen des Kaffees ein geringeres Sterberisiko haben, sondern sich allgemein gesünder ernähren, indem sie unter anderem als Muntermacher eben zu ungesüßtem Kaffee und nicht zu stark gezuckerten Energydrinks greifen.

Stoff für Forschende

Was aber passiert im Gehirn durch die Zufuhr der psychoaktiven Substanz, die ja auch unter Wissenschafterinnen und Wissenschaftern nicht ganz unbeliebt ist? Am radikalsten kommt diese Beliebtheit vermutlich im Satz "Ein Mathematiker ist eine Maschine, die Kaffee in Theoreme umwandelt" zum Ausdruck, der durch Paul Erdős bekannt wurde. Der legendäre ungarische Mathematiker, der auch wegen seines Koffeinkonsums täglich nur vier bis fünf Stunden schlief, kam immerhin auf rund 1.500 Publikationen. (Eigentlich dürfte der Satz allerdings von seinem Kollegen und Landsmann Alfréd Rényi stammen, der wiederum 32 Arbeiten mit Erdős veröffentlichte.)

Macht Kaffee also womöglich auch schlauer? Verändert er gar die grauen Zellen? Dass der regelmäßige Genuss des Alkaloids nicht spurlos an unseren Gehirnen vorbeigeht, legte im Vorjahr eine Studie von Forschenden der Uni Basel nahe: Die graue Substanz des Gehirns verändert sich – und zwar eher im negativen Sinn, indem sie schrumpft. Doch dieser Effekt scheint temporär zu sein.

Studie an Mäusehirnen

Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt ein Team um David Blum (Universität Lille) und Anne-Laurence Boutillier (Universität Straßburg) in einer neuen Studie, deren Experimente freilich aus guten Gründen nur an Mäusen durchgeführt wurden: Die Forschenden fütterten die Nager zwei Wochen lang mit koffeinhaltigem Wasser und entnahmen den Tieren anschließend den Hippocampus, also jene Gehirnregion, die für Lernen und Gedächtnis entscheidend ist.

Die Gehirne der Tiere, denen Koffein verabreicht wurde, wiesen Veränderungen in den Genaktivitätsmustern vieler Gehirnzellen auf. Diese Veränderungen deuten einerseits auf einen allgemeinen Rückgang der Synthese von Proteinen hin, die am Stoffwechsel beteiligt sind. Andererseits führten sie zu einem Anstieg jener Genaktivitäten, die an der neuronalen Signalübertragung und der neuronalen Plastizität beteiligt sind.

Koffein beeinflusst die Genaktivitäten von Nervenzellen (grün) im Hippocampus.
Foto: C.J. Guerin, MRC Toxicology Unit/SPL

Einige dieser Veränderungen blieben auch bestehen, nachdem die Mäuse zwei Wochen lang kein Koffein zu sich genommen hatten. Das Team berichtete in seiner Publikation im "Journal of Clinical Investigation" zudem davon, dass die Tiere, die Koffein erhalten hatten, nach einer Lernaufgabe einen größeren Aktivitätsschub bei Genen zeigten, die an Prozessen wie der Gedächtnisbildung beteiligt sind, als Mäuse, die kein Koffein konsumiert hatten.

All das würde darauf hindeuten, resümiert das Team um Blum und Boutillier, dass Koffein langfristige Veränderungen im Gehirn verursachen dürfte, die zum Teil auch eine Verbesserung der kognitiven Funktionen erklären könnten. (Klaus Taschwer, 11.6.2022)