EZB-Chefin Christine Lagarde hat die Zinswende eingeleitet.

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Ökonominnen und Ökonomen predigen es die ganze Zeit: Zentralbankpolitik ist zum Gutteil Psychologie, also das Schüren und Dämpfen von Erwartungen, das die Wirtschaft beeinflusst. Die vieldiskutierte Zinswende der EZB vom Donnerstag ist dafür ein Musterbeispiel.

In Wahrheit ist sie nämlich eine läppische Angelegenheit. Die Leitzinsen werden um einen Viertelprozentpunkt angehoben, und das nicht einmal sofort, sondern im Juli. Das billionenschwere Anleihenkaufprogramm wird nicht weiter ausgedehnt, bleibt aber vorerst auf bisherigem Niveau bestehen.

Werden diese Schritte wirklich real durchschlagen? Werden sie also wirklich eine dermaßen veränderte Zinslandschaft hervorbringen, dass Konsumenten und Unternehmen bewogen sind, andere Entscheidungen als bisher zu treffen? Nein. Entscheidend ist vielmehr der enorme psychologische Effekt.

Alle Welt redet jetzt von der großen Zinswende in der Eurozone. Aus Politik, Wissenschaft und Medien tönt es, dass sich die EZB erstmals von der Nullzinspolitik verabschiedet und Schritte gegen die Inflation setzt.

Genau um dieses Tönen geht es. Es geht darum, dass viele Menschen glauben, die Inflation werde schon nicht so schlimm sein – und aufgrund dieser Annahme entspannt ihren nächsten Urlaub planen oder im Supermarkt einkaufen. Vielleicht wird sie gerade deshalb wirklich nicht so schlimm. (Joseph Gepp, 10.6.2022)