Kurt Hofstetter leitet die internationale Bauausstellung IBA Wien, die demnächst startet. Privat ist er Teil einer Baugruppe, die eines der allerersten Gebäude in der Seestadt Aspern errichtet und bezogen hat.

"Meine Frau und ich, wir waren unter den ersten Seestädtern. Da haben wir sogar eine Urkunde. 2015 sind wir in unser Baugruppen-Projekt namens JAspern gezogen. Am Anfang war es hier entrisch, weit und breit war nichts, und als einmal eine Bekannte zu Besuch kam, hatte sie richtig Angst. ‚Da schickst mi her?‘, sagte sie.

Das eigene Haus von Beginn an mitgeplant: Kurt Hofstetter ist Teil der Baugruppe JAspern.
Foto: Lisi Specht

Die Wohnung hat ca. 100 Quadratmeter, ist also eigentlich recht groß für zwei. Vorher hatten wir 64 Quadratmeter im fünften Bezirk. Es war eine sehr schöne Wohnung, aber halt gerade ein wenig zu klein. Denn meine beiden Kinder leben zwar nahe Wien, aber doch außerhalb. Wenn die mit ihren Kindern über Nacht blieben, war es schon recht eng. Hier können auch die Eltern meiner Frau, die aus England stammt, eine Woche dableiben, und es ist kein Problem.

Eine Baugruppe würde ich jederzeit wieder machen, weil man die späteren Mitbewohnerinnen und Mitbewohner gut kennenlernt und als Gemeinschaft einzieht. Das erspart irrsinnig viele Reibereien. Gerade am Anfang gibt es ja oft recht viele Reibereien, da landen dann schnell Beschwerden über die Nachbarn bei der Hausverwaltung. Und das dauert mitunter lange, bis sich das wieder gelegt hat.

2015 wurde die Wohnung in der Seestadt Aspern bezogen.
Fotos: Lisi Specht

Die Qualität, die wir hier haben, findet man in Wien nur im geförderten Wohnbau oder eben in der Baugruppe, wenn man also alles selbst plant. Wir haben im Keller eine Werkstatt, wo sich eine Mitbewohnerin, gelernte Tischlerin, ihre Küche komplett selbst gebaut hat. Das Werkzeug wird gemeinschaftlich genutzt. Konflikte gibt’s nur, wenn jemand nicht wegräumt. Auf dem Dach gibt es einen Dachsalon mit Hochbeeten, die wir auch alle gemeinsam gebaut haben. Und im Erdgeschoß gibt es noch den Salon, das ist ein halböffentlicher Raum, den wir hauptsächlich vermieten.

Eine Tanzschule war drin, und die Apotheke im Erdgeschoß – übrigens auch Gründungsmitglied der Baugruppe – hat hier Corona-Tests durchgeführt. Ansonsten gibt es hier auch eine große Fahrradgarage, in der jedem Zimmer im Haus ein Abstellplatz zugeordnet ist. Geschmückt ist der Raum mit einem alten Bauzaun, der beim Weltmuseum stand und abgetragen werden sollte. Wir haben gefragt, ob wir ihn haben können.

Ich bin in Oberösterreich in einem Einfamilienhaus aufgewachsen. Deshalb ist mein erster Weg, wenn ich heimkomme, meistens raus auf den Balkon. Generell ist die Möglichkeit rauszugehen das, was ich persönlich beim Wohnen unbedingt brauche. Eine Wohnung ohne zugeordneten Freiraum würde ich schwer aushalten. Ansonsten ist Wohntraum für mich ein Begriff, mit dem ich nicht viel anfangen kann. Klar, manchmal gibt es Sehnsüchte nach der einen oder anderen Art. Einfach rausgehen können, in eine Hütte, etwas basteln können, wenn einem etwas einfällt – das hat was. Auf der anderen Seite: Im urbanen Umfeld zu leben, das hat auch sehr viel.

Auf den großen Balkon geht es sowohl von der Küche als auch vom Wohnzimmer aus. Dort sowie auf dem Dach wird zünftig gegartelt. Der Bauzaun, der nun die Fahrradgarage des Baugruppen-Hauses ziert, stand einst beim Weltmuseum.
Fotos: Lisi Specht

Ich brauche kein Auto, habe auch keines. Das bringt viel Freiheit, aber natürlich auch Einschränkungen. Doch ich bin Carsharing-Kunde der ersten Stunde, habe das sehr geschätzt, dass ich immer das Auto kriegen konnte, das ich gerade brauchte. Jetzt gibt’s leider nur noch diese großen industriellen Angebote mit superschnellen Autos, darunter auch Teslas, die kein Mensch braucht. Schon gar nicht, wenn man was transportieren muss, was bei mir der Regelfall ist. Da lobe ich mir selbstorganisierte Carsharing-Gruppen, von denen es hier auch eine mit nun schon drei Autos gibt. Da ist immerhin auch ein Auto dabei, wo man was einladen kann.

Bei der IBA Wien, deren Ausstellungsphase am 23. Juni startet, wird dieses Gebäude nicht hergezeigt, denn das ist ja schon früher fertig geworden. Wir zeigen von der Seestadt das neue Seebogen-Quartier her, und dort wird es auch eine kleine IBA-Dependance mit Vor-Ort-Präsenz geben, im Holzgebäude beim nördlichen U2-Ausgang. Ich freu mich schon darauf, wenn es nun endlich losgeht mit der IBA in Wien." (Martin Putschögl, 13.6.2022)

UPDATE: In einer früheren Fassung war die Rede davon, dass der Bauzaun im Fahrradkeller bei der Staatsoper stand. Wie Kurt Hofstetter nun richtig stellte, befand er sich beim Weltmuseum. Der Text wurde korrigiert.