Die Stadt Wien zeigte sich sehr bemüht, Auskünfte möglichst umständlich zu erteilen.

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Wien – Viele Behörden verweigern bestimmte Auskünfte mit Verweis auf den großen Aufwand, den die Bekanntgabe der gewünschten Informationen verursachen würde. Ein aktueller Fall in der Stadt Wien zeigt umgekehrt, wie viele Umstände sich eine Behörde machen kann, um intransparent zu bleiben.

Begonnen hat es mit einer Meldung der Stadt selbst: 2016 befragte die Stadtregierung alle ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an welchen Punkten in der Verwaltung sie Sparpotenzial sähen. 1.200 Vorschläge trudelten ein. Veröffentlicht wurde aber nur eine kurze Zusammenfassung der Ideen.

Langer Rechtsweg

Der Journalist und Aktivist für Informationsfreiheit Markus Hametner will es genauer wissen: "Wenn die Stadt Wien sogar eine Pressekonferenz dazu gibt, müssten das eigentlich Informationen sein, die Wiens Regierung veröffentlicht haben will, sollte man meinen", schreibt er in einem Blogbeitrag auf der Website des Forums Informationsfreiheit: "Ich frage also: 'Was waren die Vorschläge im Wortlaut?'"

Nach dem bestehenden Auskunftspflichtgesetz fragt Hametner also an – und die Stadt verweigert die Auskunft hartnäckig, wie DER STANDARD schon 2020 berichtete. Nach einem höchstgerichtlichen Urteil gegen die Stadt lieferte diese eine Liste von Kurzbezeichnungen und behauptete, die Sache sei damit erledigt. Hametner sah das anders, zog abermals vor Gericht und erhielt wieder recht.

Zwei Papierstapel voller Informationen

Im Jänner 2022 erhielt der Journalist, der den STANDARD fallweise bei Anfragen und Beschwerden berät, dann einen Termin für Einsicht in die Vorschläge. Zwei Stadtbedienstete brachten rund 2.000 Seiten Papier – die Vorschläge der Kolleginnen und Kollegen, ausgedruckt.

Auskunft auf Wienerisch.
Foto: hametner

Hametner wurde allerdings darauf hingewiesen, dass er die Zettel nicht abfotografieren dürfe, kopieren schon gar nicht. Das sei zwar nicht verboten, aber sollte er es doch tun, wäre der Termin sofort vorbei. Darüber hinaus erklärte die zuständige Beamtin, dass sie in einer Stunde weg müsse.

Ein zweiter und letzter Termin

Wochen später erhielt Hametner einen weiteren Termin und wurde darüber informiert, dass das der letzte sein würde. Wieder hätte er eine Stunde Zeit. Diesmal hatte der Journalist eine Kollegin von der "Presse" zugezogen, die später über die Auskunftspraxis der Magistratsabteilung 5 (MA 5) berichtete. Hametner beschreibt, dass es ohnehin unmöglich gewesen wäre, alle Vorschläge in der kurzen Zeit zu sichten – also zückte er sein Handy und fotografierte. Die Stadtbediensteten beenden den Termin.

Auf STANDARD-Anfrage bestätigt die MA 5 die Geschehnisse. Allerdings verweist sie auf das Wiener Auskunftspflichtgesetz, das ziele "auf eine Beantwortung konkreter Fragestellungen ab – und dies in erster Linie mündlich oder telefonisch". Es berechtige Antragstellende auch nicht zur Einsicht in Dokumente "im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) – die mit einer Möglichkeit, Kopien oder Fotos anzufertigen, einhergeht". Aus diesem Grund fragen geübte Antragstellerinnen und Antragsteller auch nach dem Wortlaut bestimmter Dokumente und nicht nach den Dokumenten selbst, auch Hametner hat das getan.

Vorbereitung hätte geholfen

Die MA 5 ist darüber hinaus der Ansicht, dass die zwei Stunden locker gereicht hätten: "Da sämtliche Kurzbezeichnungen der Vorschläge und somit der Gegenstand jedes einzelnen Verbesserungsvorschlages im Internet (...) öffentlich einsehbar sind, wäre es bei entsprechender Vorbereitung im Rahmen der Einsichtstermine ohne weiteres möglich gewesen, Hintergrundinformationen zu einzelnen interessierenden Verbesserungsvorschlägen in Erfahrung zu bringen."

Die Anwesenheit der "Presse"-Redakteurin stößt der Stadt offenbar auch sauer auf: "Inwieweit die Beiziehung einer Mitarbeiterin der Zeitung 'Die Presse' als Unterstützung zur Befriedigung des Auskunftsinteresses zweckdienlich war, kann dahingestellt bleiben." Und: "Im Übrigen hat Herr Hametner bei beiden Terminen die zur Verfügung gestellte Zeit trotz seines medial artikulierten erheblichen Auskunftsinteresses nicht annähernd ausgeschöpft." Hametner verweist darauf, dass er beim ersten Termin die zur Verfügung gestellte Stunde ausgereizt – und beim zweiten gerne auch noch weiterfotografiert hätte.

Neos sehen sich nicht zuständig

DER STANDARD hat auch beim kleineren Koalitionspartner in Wien angefragt: Transparenzstadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos erklärt sich in der Frage allerdings für unzuständig und möchte die Papierstapelauskunft der MA 5 nicht kommentieren. (Sebastian Fellner, 10.6.2022)