Angelobung: Klare Mehrheit fordert mehr Geld für Österreichs Soldaten

Foto: Bundesheer/Daniel TRIPPOLT

Linz – Wie würden Sie die Situation einschätzen: Muss Österreich jetzt mehr für die eigene Sicherheit unternehmen als vor einem Jahr, oder ist da jetzt weniger Aufwand nötig als noch vor einem Jahr? Diese Frage hat das Linzer Market-Institut im Auftrag des STANDARD schon einmal im Oktober 2019 gestellt. Damals haben 56 Prozent der Befragten gesagt, dass Österreich mehr für seine Sicherheit tun müsse. Nach drei Monaten Krieg in der Ukraine hat Market dieselbe Frage nochmals gestellt – und beinahe exakt dasselbe Ergebnis bekommen: Jetzt sagen 58 Prozent, dass Österreich mehr tun müsse.

Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: "Sicherheitsfragen wurden und werden auch jetzt noch von der österreichischen Bevölkerung gern verdrängt. 28 Prozent sagen auch nach drei Monaten Ukraine-Krieg, dass sie wenig Veränderung wahrnehmen und dass am Sicherheitsaufwand nichts geändert werden müsse. Fünf Prozent glauben sogar, man könnte jetzt an der Sicherheit sparen."

Sechs von zehn für mehr Wehr-Etat

Market fragte nochmals konkreter nach: "Kommen wir konkret zum Bundesheer: Es wird ja immer wieder gesagt, dass das Bundesheer zu wenig Budget bekommt, um seine Aufgaben zu erfüllen. Was meinen Sie: Sollte das Bundesheer mehr Geld bekommen, ist das Budget gerade richtig, oder sollte das Bundesheer weniger Geld bekommen?"

Wiederum sagen 58 Prozent, dass das Bundesheer mehr Geld brauche, 33 Prozent halten das Budget für richtig, und neun Prozent würden das Budget kürzen. Bei genauerer Aufschlüsselung der Daten zeigt sich, dass besonders ältere Befragte das Bundesheer nachrüsten wollen, während unter den Jungwählerinnen und Jungwählern ein Fünftel für eine Budgetkürzung ist.

Pfarrhofer: "Auch hier haben wir eine Vergleichsfrage, nämlich aus dem August 2020 – da war der Ukraine-Konflikt medial kaum präsent, dafür war das Bundesheer wegen der Corona-Maßnahmen sehr stark in der Öffentlichkeit. Vor knapp zwei Jahren wollten aber nur 44 Prozent mehr Geld für das Bundesheer, ein bisschen ein Umdenken hat es also offenbar doch gegeben."

ÖVP-Anhänger folgten Schüssel nicht

Dahinter steckt ein weit verbreitetes Vertrauen in die Schutzwirkung der Neutralität, das sich im Verlauf der vergangenen beiden Jahrzehnte kaum verändert hat. Seinerzeit hatte der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) unter dem Eindruck der islamistischen Terroranschläge in den USA beim Sonderministerrat anlässlich des Nationalfeiertags 2001 erklärt: "Die alten Schablonen – Lipizzaner, Mozartkugeln oder Neutralität – greifen in der komplexen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts nicht mehr."

Die Bevölkerung ist ihm in diesem Punkt nicht gefolgt. Als damals eine neue Sicherheitsdoktrin für Österreich diskutiert wurde, ließ DER STANDARD erheben: "Soll Österreich Ihrer Ansicht nach an der Neutralität wie bisher festhalten oder sich solidarisch an einem gemeinsamen Sicherheitssystem beteiligen?" Darauf sagten im Oktober 2003 sieben von zehn Befragten, dass Österreich an der Neutralität festhalten sollte – und die Einschätzung blieb über 20 Jahre hinweg mit leichten Schwankungen gleich.

Heute sagen 71 Prozent, dass Österreich neutral bleiben sollte, 19 Prozent sind für Solidarität in einem gemeinsamen Sicherheitssystem, und jeder Zehnte (bei Befragten unter 30 Jahren ist es jeder Fünfte) hat keine Meinung dazu.

Auffallend ist, das es gerade die Anhänger der ÖVP und der FPÖ sind, die einer solidarischen Verteidigung besonders kritisch gegenüberstehen. Vor 20 Jahren waren diese beiden Parteien am ehesten geneigt, das Land in die Nato zu führen, wohin ja derzeit die ehemals neutralen Staaten Schweden und Finnland streben.

Anderer Neutralitätsbegriff

Wobei die Neutralität heute anders gesehen wird als zum Zeitpunkt des Beschlusses des Neutralitätsgesetzes 1955: Damals wollte sich die Regierung an einer "Neutralität nach Schweizer Muster" orientieren, in den folgenden Jahren aber setzte sich bald der Grundsatz durch, dass Österreich seine Neutralität selbst interpretiere. Besonders deutlich wurde das durch den EU-Beitritt 1995. Und das haben auch die Bürgerinnen und Bürger mitbekommen. Schon 2001 sagten 58 Prozent, dass sich die österreichische Neutralität in den vergangenen zehn bis 15 Jahren verändert habe – und sie hat sich nach dem Empfinden der Bevölkerung auch in den Jahren seither immer wieder gewandelt. Aktuell sehen 46 Prozent eine Änderung des Neutralitätsbegriffs in den Jahren seit 2007.

Was sich geändert hat, ist auch die Zukunftsperspektive: 2001 meinten 58 Prozent, dass Österreich nach 15 Jahren (also 2016) kein neutrales Land mehr sein würde. Bei einer Vergleichsumfrage 2011 erwartete immerhin die Hälfte der Befragten, dass Österreich in weiteren 15 Jahren (bis 2026) nicht mehr neutral sein würde. In der aktuellen Umfrage hat sich die Perspektive deutlich verschoben: Jetzt erwarten 54 Prozent, dass Österreich auch 2037 noch neutral sein wird, nur 29 Prozent rechnen mit einem Abgehen von der Neutralität. (Conrad Seidl, 12.6.2022)