So deppert aber auch. Dabei war es ja sowas von klar. "Soll ich dir noch was erklären, oder kennst dich aus?", fragte der Mann, der mir den Honda ADV 350 für einen Test übergeben hat, nachdem er mir gerade das Notwendigste erklärt hatte. "Ja, genau, an Roller werd ich ohne fremde Hilfe nicht derbändigen." Dachte ich. Ich sagte brav: "Alles bestens, danke." Drei Minuten später stand ich wieder vor ihm und bettelte demütig um Hilfe, um mit dem argen Roller überhaupt vom Hof zu kommen. Und das kam so.

Der Honda ADV 350 ist die kleine Schwester der X-ADV und ein Roller mit Offroad-Designelementen.
Foto: Honda

Lässig ist er mit dem ADV vors Geschäft gefahren, hat den Seitenständer rausgeklappt, stieg ab und nahm lässig den Helm ab. Obwohl alles ganz schnell ging, hab ich aus dem Augenwinkel gesehen, dass er den Killschalter gedrückt hat. Und da gibt's zwei Arten von Menschen: Die einen stellen das Motorrad immer mit dem Killschalter ab. Die anderen machen das nur, um den, der nach ihnen aufsteigt, auslachen zu können, wenn er den Murl dann nicht zum Laufen kriegt. Ich gehöre zu den anderen. Das nahm ich von dem Mann, der mir das Motorrad übergab, natürlich nicht an. So geschwind, wie alles ging, dürfte das bei ihm Routine sein.

Keyless-System und Killschalter

Ich zwängte mir meinen uralten Klapphelm über die Birne, schlupfte in die Handschuhe, schwang mich auf das Sitzbankerl, drückte erst den Drehschalter im Lenkkopf – der ADV hat ja auch schon ein Keyless-System –, dann den Killschalter, zog die Bremse und drückte auf den Startknopf. Nix. Ich zog die Bremse fester und probierte noch einmal zu starten. Nix. Killschalter hin und her. Nix. Drehhschalter hin und her. Nix. Nach drei Minuten hab ich die Nerven geschmissen und bin unter der Fußdaggen wieder ins Geschäft.

Den Schlüssel kann man beim ADV eingesteckt lassen – und zwar im Hosensack.
Foto: Guido Gluschitsch

"Schlüssel hast eingsteckt? Seitenständer is drinnen? Bremsn hast zogen? Notausschalter?", ratterte er beim Rausgehen runter, und ich dachte mir nur: "Geh bitte!" Er stellte sich neben den Roller, schaute kurz drüber und sagte: "Notausschalter!"

Er hatte ihn gar nie gedrückt. Ich erst habe den Killschalter auf "Aus" gestellt. Mehrmals. Und weil inzwischen Sachen, die nur eine Armlänge vom Gesicht weg sind, ungefähr so scharf sind wie Kaugummi nach drei Stund, hätte ich ohne Brille auch nie dersehen, welche Symbole dort aufgemalt sind. Aber wenn dir dann einfällt, dass die eh alle in die gleiche Richtung funktionieren, ist dir das peinlicher als der alte Klapphelm. Obwohl Letzterer ist in meiner Gunst wieder stark gestiegen.

Allein in das Topcase passen 50 Liter Klumpert.
Foto: Guido Gluschitsch

Ich ließ ihn auch offen, als ich vom Hof fuhr. Weil logisch, wenn es mich jetzt in der Ausfahrt auch noch aufstraht, dann soll wenigstens das Gesicht gleich so entstellt sein, dass mich keiner mehr kennt. Aber es ging eh gut. Der 186 Kilogramm schwere ADV lässt sich nämlich ums Eck und über Bordsteinkanten schmeißen wie kein anderer Roller.

Ahnengalerie

Der ADV 350 ist das Schwesternmodell des X-ADV, der Mischung aus einem Roller und einem Offroadbike. Nur hat der X-ADV 750 Kubikzentimeter Hubraum aus dem 43,1 kW quellen und ein Doppelkupplungsgetriebe. Der ADV 350 kommt mit 330 Kubikzentimeter aus – ja, fragen Sie mich nicht, warum er dann nicht ADV 330 heißt –, leistet 21,5 kW und hat ein CVT-Getriebe. Halbe Leistung, halber Preis, gleicher Spaß. Während der X-ADV 13.090 Euro kostet, bekommt man den ADV 350 ab 6.590 Euro, mit dem dicken, fetten Topcase, in dem zwei offene Klapphelme noch fangen spielen können, kostet er 6.990 Euro. Heizgriffe kosten noch einmal 258 Euro extra. Obwohl, Heizgriff wäre auch eine nette Umschreibung für den Gasgriff.

Das Windshield kann man in vier Positionen arretieren.
Foto: Guido Gluschitsch

Gerade vom Stand weg und im urbanen Umfeld zieht der Roller richtig gut an. Ab 100 km/h wird es dann ein weniger zacher. Aber bitte nicht falsch verstehen – die Beschleunigung reicht immer noch locker aus, dass man gern auch einmal eine Abkürzung über die Autobahn nimmt. Bei 130 km/h ist dann auch noch nicht Schluss, mit dem Vortrieb, obwohl ich das Windshield in der höchsten von vier Positionen arretiert hatte. Und da sitzt man dann auch bei höherem Tempo ganz gemütlich dahinter. Überhaupt ist der Windschutz äußerst gelungen. Man kriegt genug Frischluft und nicht nur ein Haucherl von einem Wirbel, ist aber trotzdem gut geschützt. Wenn es kalt ist, druckt man zur Not ein wengerl die Knie zusammen. Die Füße zusammenstellen geht ja nicht, weil dazwischen ein Steg ist, in dem sich der Tankfüllstutzen befindet.

Der gute alte Klapphelm, wenn er nach der Ausfahrt müde ist.
Foto: Guido Gluschitsch

Stauraum

Das heißt einerseits, dass man durch den untenliegenden Tank einen tiefen Schwerpunkt hat, andererseits aber auch, dass man dort nix abstellen kann. Das ist in dem Fall aber wirklich komplett wurscht. Denn unter der Sitzbank gibt es mit 48 Liter so viel Stauraum und sogar ein herausnehmbares Trennelement, dass man sich wirklich überlegen muss, ob man das 50 Liter fassende und arg schiarche, aber sonst superpraktische Topcase wirklich auch noch braucht.

Unter der Sitzbank finden noch einmal 48 Liter Irgendwas Platz.
Foto: Guido Gluschitsch

Ich bin mir auch nicht sicher, ob man bei einem Roller mit nicht einmal 30 PS eine Traktionskontrolle braucht, aber der ADV hat eine. Man kann sie in drei Stufen regeln. Von supersicher über Angeber bis hin zu ganz aus. Letzteres würde sich jedenfalls lohnen, wenn man mit diesem Gerät abseits der Straße etwas Spaß haben will. Viel mehr als ein Schotterstraßl geht selbst trotz Stollenreifen nicht.

Man darf schon Stollenreifen sagen, ins Gelände muss man damit aber nicht unbedingt.
Foto: Guido Gluschitsch

Was ja in meinem Alter auch nicht mehr geht, das sind zu laute Motorräder. Sie machen mich wahnsinnig. Honda ist da eh bekannt dafür, nicht allzu plärrade Eisen zu bauen. Bei einem Gefährt wie dem ADV 350 ist es aber eine Herausforderung, den richtigen Klang und die richtige Lautstärke zu erwischen. In dem Fall ist es gelungen. Der Roller klingt robust, so wie er aussieht, ist dabei aber nie wirklich laut – aber auch nicht so leise, dass man sich fragt, ob er eh rennt. Weil, das muss man dem Einzylinder schon lassen: Ungut herumruckeln tut er nicht. Obwohl, das bringt mich zum Einzigen, was ich wirklich schade finde. Honda hat ja beim 125er-Motor in manchen Rollern schon eine Start-Stopp-Automatik verbaut. Die habe ich mir hier auch gewünscht, wenn ich in Eisenstadt bei einer roten Ampel warten musste.

Zeit der Gemütlichkeit

Ja, in Eisenstadt gibt es Ampeln. Sogar Kreisverkehre. Der zentralste ist übrigens so zsammgritten, dass man froh ist, wenn man einen Adventure-Roller wie den ADV hat. Aber das ist eine andere Geschichte, wie meine neu entdeckte Liebe zum Klapphelm. Woher die kommt? Keine Ahnung. Vielleicht ist es eine Frage des Alters. Man wird ja immer kommoder. Wobei mir auch der Sitzkomfort auf dem Honda-Roller entgegenkommt. Total entspannte Sitzerei. Sogar wenn es einmal ein bisserl flotter wird, man schnell reagieren können muss, sitzt am ADV immer noch drauf, dass jeder von der Weiten meinen könnte, man wäre grad in Trance. Dabei legt man den Roller um, bis ein sanftes Kratzen anzeigt, dass es langsam genug wäre.

Man muss nicht immer nur aufrecht und schnürlgrad fahren, Kurven kann er an sich auch gut.
Foto: Honda

Und so kommt es auch, dass im Test der Normverbrauch von 3,4 Liter nicht ganz eingehalten werden konnte. Knapp über vier Liter waren es, wobei da auch sehr viele Autobahnkilometer dabei waren, wo der ADV schon zeigen musste, dass er meiner schlechten Terminkoordination standhält.

Die Infotainmentwelt.
Foto: Guido Gluschitsch

Der Ordnung halber, für die Freunde der Spielkonsole, das Display ist nicht bunt, dafür aber gut ablesbar und bietet eine Reihe von Informationen, die man sich bei so einem Roller nicht erwarten würde. Man kann es auch irgendwie mit dem Wischtelefon koppeln und irgendwas über das Honda-Smartphone-Voice-Control-System steuern. Aber bitte fragen Sie mich nicht, wie, was, und schon gar nicht, warum. Ich bin noch voll damit beschäftigt, mich zu fragen, warum mir auf einmal mein alter Klapphelm wieder so taugt. Vielleicht, weil man in den kein Bluetooth-Headset einbauen kann und ich noch ein paarmal erst am Ziel draufkommen werde, dass ich leider, leider schon wieder mein Telefon daheim vergessen habe. So deppert aber auch. (Guido Gluschitsch, 11.6.2022)

Foto: Guido Gluschitsch