Der massenhafte Wechsel ins Homeoffice aufgrund der Pandemie ist nicht spurlos an der Arbeitswelt vorbeigegangen. In vielen Unternehmen wird dauerhaft stärker auf Telearbeit gesetzt. Auch die Hersteller von Laptops und Highend-Tablets lernen langsam dazu. Waren viele Notebooks, insbesondere im Preisbereich üblicher Office-Arbeitsknechte, oft mit billigen Webcams bestückt, die einen verbröselt in Videocalls übertragen haben, gibt es nun zunehmend zumindest Full-HD-Auflösung als Standard.

Einen etwas anderen Weg wählt Apple. Mit den nächsten Generationen seiner Betriebssysteme iOS, iPad OS und Mac OS wird es möglich sein, zumindest neuere iPhone-Modelle als Webcam einsetzen zu können. Statt einer in den Bildschirm eingebauten Kompromisslösung lässt sich dann also die durchaus kompetente Kamerabestückung des Smartphones nutzen.

Droidcam

Das ist natürlich erfreulich für all jene, die ihren Technikbedarf rundum mit Geräten aus dem Hause Apple decken. Doch was macht man als Android-Nutzer? Da gibt es gute Nachrichten! Schon seit geraumer Zeit lässt sich das eigene Handy sehr einfach zur Webcam umfunktionieren. Als eine sehr einfache und gut funktionierende Lösung bietet sich dafür das Tool Droidcam des Entwicklers Dev47 an.

Mit Droidcam kann man alten Smartphones, wie diesem Motorola MotoX Play, einen neuen Daseinszweck geben.
Foto: DER STANDARD/Pichler

Dieses besteht aus einem Duo. Der erste Teil ist die gleichnamige App für das Smartphone. Der zweite Teil ist ein Client für den jeweiligen Rechner, sofern dieser mit Windows oder Linux läuft. Nach der Installation und Vergabe der benötigten Berechtigungen wird die App am Handy gestartet. Nun kann man sich entscheiden, ob man die Verbindung drahtlos oder per USB herstellen möchte.

In ersterem Fall muss sichergestellt werden, dass sich der Rechner und das Telefon im gleichen WLAN befinden. Anschließend muss nur noch die am Smartphone angezeigte IP-Adresse eingegeben werden. Nach einem Klick auf "Start" beginnt schließlich die Übertragung. Über ein Vorschaufenster kann man sich vergewissern, dass alles so funktioniert, wie es soll, und auch die Bildqualität evaluieren.

Wählt man die USB-Option, so muss am Smartphone USB-Debugging (ADB) aktiviert werden. Dies tut man, indem man in den Systeminformationen von Android die Buildnummer mehrfach antippt und die Entwicklereinstellungen so freischaltet. In diesen findet sich der Umschalter für USB-Debugging.

Neues Leben für alte Handys

Im Desktopclient von Droidcam wechselt man dann per Klick auf das Symbol zu den Optionen für die USB-Anbindung. Nach einer kurzen Ladepause erscheint dort dann eine Auswahl, in der man das zur Webcam umfunktionierte Handy wählt. Nach der Betätigung der Start-Schaltfläche sollte dann ebenfalls die Kameraübertragung starten. In beiden Fällen kann man übrigens zuvor auch entscheiden, ob das Handy ausschließlich als Kamera oder auch als Mikrofon fungieren soll.

Diese Lösung bietet sich auch an, um einem alten, nicht mehr verwendeten Smartphone einen neuen Lebenszweck zu geben. Denn selbst einige Jahre alte Telefone haben meist Hauptkameras, die bessere Bilder liefern als die durchschnittliche Laptop-Webcam. Droidcam erlaubt außerdem die Anbindung von bis zu drei Smartphones auf einmal an einen Rechner, etwa um ein Handy als Webcam und das andere als Video-Babyfon zu nutzen. Für Streamer gibt es eine eigene Version für die Integration von Handykameras in die Open-Source-Streamingsoftware OBS beziehungsweise darauf basierende Programme.

Der Droidcam-Desktop-Client (hier mit freigeschalteten Pro-Funktionen).
Foto: DER STANDARD/Pichler

Testlauf

DER STANDARD hat die Probe aufs Exempel mit einem Motorola Moto X Play aus dem Jahr 2015 gemacht. Das Smartphone läuft via Custom ROM mit Android 10, da die Updateversorgung seitens von Motorola schon vor einigen Jahren mit Android 7 endete. Das Handy bringt eine Hauptkamera mit 21 Megapixel Auflösung und recht schnellem Phase-Detection-Autofokus mit.

Die Inbetriebnahme von Droidcam funktionierte reibungslos. Einmal zum Laufen gebracht, waren Kamera und Mikrofon des Handys als "Droidcam Source" beziehungsweise "Droidcam Virtual Audio" am Windows-11-Rechner verfügbar. Diese ließen sich in einem Testcall mit Microsoft Teams an sich problemlos nutzen. Einzig bei der Verbindung der Handykamera via WLAN gab es immer wieder kürzere Aussetzer des Mikrofons, nicht aber bei USB-Anbindung.

Für erweiterte Features – etwa das Drehen und Spiegeln des Kamerabilds, manuelle Betätigung des Autofokus oder die Aktivierung des Blitzes zur Beleuchtung – muss man aufs kostenpflichtige Droidcam X Pro umsteigen. Dieses gibt es gegen eine Einmalzahlung von 5,50 Euro. Da man die Pro-Version auch außerhalb des Play Stores direkt beim Entwickler kaufen kann, ist sie auch eine Alternative für Google-freie Android-Handys.

Alternative für Videoüberwachung

Wer dezidiert eine App sucht, mit der man ein Handy zu einer Videoüberwachungslösung machen kann, auf die man auf Wunsch auch aus der Ferne zugreifen kann, findet allerdings bessere Optionen als Droidcam. Hier empfiehlt sich beispielsweise Alfredcamera, das in seiner Basisausführung ebenfalls kostenfrei ist. (gpi, 11.6.2022)